Das Ice Café Adria in der Stuttgarter Innenstadt ist jüngst Ziel von Buttersäure-Attacken geworden – dass Konflikte gar nicht erst so eskalieren, dafür soll ein Nachtbürgermeister sorgen. Foto: /Max Kovalenko

Es ist amtlich, Stuttgart bekommt einen Nachtbürgermeister. Aber wer soll es werden? Das Popbüro, wo die Stelle angesiedelt sein könnte, will keine Zeit verlieren und sie schnellstmöglich ausschreiben.

Stuttgart - Stuttgart bekommt einen Nachtbürgermeister. Was der Gemeinderat bereits im März befürwortet hatte, beschloss er am Donnerstag in den Haushaltsberatungen einstimmig. Der Rahmen steht damit: 185.000 Euro jährlich fließen ab 2020 in die Idee, Unfrieden im Nachtleben zu schlichten und im Spannungsfeld zwischen Clubbetreibern, Anwohnern und Verwaltung zu vermitteln. Dazu sollen zwei Stellen entstehen: Eine bei der Wirtschaftsförderung, eher mit Verwaltungsaufgaben betraut, und der repräsentative Nachtbürgermeister, der ans Popbüro Stuttgart angegliedert werden könnte.

Die Kommunalpolitik hat signalisiert, bei dem Prozedere eng mit dem Club-Kollektiv Stuttgart zusammenzuarbeiten, das schon lange dafür wirbt, dass Stuttgart nach dem Vorbild Mannheims einen Nachtbürgermeister braucht. Das Club-Kollektiv Stuttgart will auch, dass das Popbüro den Zuschlag bekommt.

Wenn so entschieden wird, soll die Stellenausschreibung für einen Nachtbürgermeister im Frühjahr 2020 entstehen und voraussichtlich ab der Sommerpause im Gemeinderat besetzt sein. „Wir wünschen uns einen öffentlichen Bewerbungsprozess und eine Findungskommission, die dann entscheidet“, sagt Colyn Heinze vom Vorstand des Club-Kollektivs. Für die kommenden Monate stehe darum viel Gestaltungsarbeit an.

Unterstützer für die Stuttgarter Kult-Läden

Auch Walter Ercolino, Leiter des Popbüros Stuttgart, will keine Zeit verlieren. „Wir hoffen, dass die Stelle spätestens im August oder September 2020 besetzt ist“, sagt er. Wie genau das mit der Ausschreibung läuft und ob er die Stelle wirklich bekommt, soll ein Workshop Mitte Januar bei der Wirtschaftsförderung klären.

Ein wenig zurückhaltender gibt sich die SPD-Stadträtin Lucia Schanbacher, was genaue Daten angeht. „Alles andere wird im Laufe des nächsten Jahres entschieden“, sagt sie. Was aber auch aus SPD-Sicht für die Besetzung der Stelle gelte: „Unseretwegen so schnell wie möglich!“

Aber wie sollte so ein Nachtbürgermeister eigentlich sein? „Am besten vernetzt im Nachtleben, sowohl in Subkultur als auch in Popkultur, für neue Konzepte offen, aber auch Unterstützer für unsere Stuttgarter Kult-Läden“, sagt Schanbacher.

Detroit hat sogar einen 24-Stunden-Bürgermeister

Walter Ercolino vom Popbüro wünscht sich ein ähnliches Profil. „Popkulturell offen, guter Kontakt zur Szene, aber auch verwaltungstechnisch fit“, sagt er. Er gehe dabei zukünftig auch um das Entwickeln von Quartieren und das zukunftsträchtige Thema Nachtökonomie. „Detroit hat mittlerweile einen 24-Stunden-Bürgermeister“, sagt Ercolino – Bürgermeisterarbeit als Schichtdienst, der rund um die Uhr für die Bürger da ist also. Und: „Der Nachtbürgermeister kann auch eine Frau sein.“

Besonders junge Stadträte wie Lucia Schanbacher, die erst seit der Kommunalwahl 2019 im Gemeinderat sitzen, haben sich für einen Nachtbürgermeister in Stuttgart stark gemacht. Dazu zählen auch Maximilian Mörseburg von der CDU und Marcel Roth von den Grünen, die das Nachtleben kommunalpolitisch in den vergangenen Monaten zu einem größeren Thema machten. Letztendlich kamen aber alle Fraktionen überein, dass es sich beim Amt eines Nachtbürgermeisters um eine sinnvolle Investition handelt.

Dass sich die Konflikte zwischen Anwohnern und Clubs oder Bars im Nachtleben nicht einfach in Luft auflösen, haben die jüngsten Ereignisse um das Ice Café Adria in der Stuttgarter Innenstadt gezeigt. Mehrmals in den letzten Monaten soll es Ziel von Buttersäure-Angriffen geworden sein. Die Betreiber haben Anzeige erstattet, die Polizei ermittelt. Einer, der vermittelt, fehlte offenbar.