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Seit zehn Jahren gilt die UN-Behindertenrechtskonvention auch in Deutschland. Trotzdem sind Menschen mit Behinderung nicht in allen Bereichen gleichberechtigt. Der Inklusionsaktivist Antonio Florio erklärt im Interview, was noch geschehen muss.

Ludwigsburg - Ein Bielefelder Sozialwissenschaftler versendet Dankesskulpturen an Menschen und Einrichtungen, die sich für Enthinderung, also das Gegenteil von Behinderung, einsetzen. Zu den Ausgezeichneten zählt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier – und nun auch die Evangelische Hochschule Ludwigsburg, die ihre Skulptur am Donnerstag bekommt. Den Rahmen bildet die Veranstaltung „10 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention“. Sie beginnt um 18 Uhr im Gebäude C der Hochschule. Auch Antonio Florio wird dort sprechen. Florio ist seit seiner Geburt spastisch gelähmt und als Inklusionsaktivist im Kreis Ludwigsburg tätig. Im Interview erklärt der Vorsitzende des Vereins Selbstbestimmt Leben im Landkreis Ludwigsburg, was die UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) bewirkt hat – und wo es noch hapert.

Herr Florio, was sind die wichtigsten Forderungen der BRK?

Die UN-Menschenrechte waren die Basis für die Entstehung der BRK, die 2009 von Deutschland ratifiziert wurde. Mit dem Ziel der Stärkung von Menschen mit Behinderung sind unter anderem die Grundrechte und die Selbstverständlichkeit der Menschenrechte zu fördern und zu schützen. Leider wurde die englische Version der BRK nicht eins zu eins in die deutsche Sprache übersetzt. Somit gab es eine Abschwächung.

Wie beurteilen Sie die BRK insgesamt?

Die BRK muss in deutsche Gesetze umgewandelt werden, damit sie in allen Punkten geltendes Recht wird. Doch hier ist leider immer noch der Knackpunkt, der die Ziele der BRK ausbremst. Die BRK wurde nur im Ansatz in das deutsche Rechtssystem überführt. So beinhaltet die Wahl der Wohnform immer noch den Kostenvorbehalt, der eine Abschiebung ins Heim bedeuten kann, weil der Kostenträger die Wohnform nicht finanziert. Vom Kostenvorbehalt ist in der BRK nichts zu lesen, er widerspricht dieser sogar.

Welche Verbesserungen hat die BRK in den vergangenen zehn Jahren gebracht?

Die BRK hat den Begriff der Inklusion in allen Landkreisen verbreitet, Inklusionsbeiräte und Beauftragte in verschiedenen Bereichen der Inklusion eingesetzt – und das ist der Erfolg der BRK! Das betrifft auch den Landkreis Ludwigsburg.

Was muss geschehen, um die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in sämtlichen Lebensbereichen zu ermöglichen?

Die Inklusion sollte und muss in den Kindertagesstätten beginnen. Das ist der erste Bereich außerhalb der Familie, in dem Inklusion stattfinden kann. Kinder, die zusammen aufwachsen, spielen, lernen und sich auch mal gegenseitig ärgern, erhalten ein Selbstbewusstsein, welches man nur im Kindesalter bekommen kann. Ziel muss sein, nicht über Inklusion zu reden, sondern diese zu leben. Inklusion muss zur Selbstverständlichkeit werden.

Am Donnerstag, 24. Oktober, findet die Veranstaltung „10 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention. Das Versprechen. Hat sich’s Warten gelohnt?“ in der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg statt. Beginn ist um 18 Uhr in Gebäude C/Foyer (Auf der Karlshöhe 2). Schirmherr ist Matthias Knecht, der Oberbürgermeister der Stadt Ludwigsburg.