Nach der jahrelangen Affäre um das Sturmgewehr G36 gibt es nun Ärger bei der Suche nach einer Nachfolgewaffe. (Symbolbild) Foto: dpa

Nach der jahrelangen Affäre um das Sturmgewehr G36 gibt es nun Ärger bei der Suche nach einer Nachfolgewaffe. Der Hersteller Sig Sauer schert aus dem Vergabeverfahren aus - und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Bundeswehr.

Berlin/Eckernförde - Der Waffenhersteller Sig Sauer sieht sich bei der Ausschreibung für einen Nachfolger des Sturmgewehrs G36 benachteiligt und zieht sich aus dem Vergabeverfahren zurück. Das teilte das Unternehmen der Deutschen Presse-Agentur mit. Die technischen Anforderungen seien zu eindeutig auf den Wettbewerber und G36-Hersteller Heckler & Koch zugeschnitten. Sig Sauer rechne sich keine Chance auf einen Zuschlag aus und wolle kein Angebot abgeben. Als „reiner Streichkandidat“ wolle man seinen guten Ruf nicht aufs Spiel setzen. Den Klageweg will sich das Unternehmen nach eigenen Angaben offen halten.

Das Verteidigungsministerium wollte dazu „aus vergaberechtlichen Gründen“ nicht Stellung nehmen. „Die Veröffentlichung von Unternehmen nehmen wir zur Kenntnis, werden unsererseits allerdings nicht kommentiert“, teilte das Ministerium am Freitag der dpa mit.

Ausschreibung in der Angebotsphase

Die Ausschreibung befindet sich derzeit in der Angebotsphase. Die Zeit zur Abgabe eines Angebotes sei zu kurz, um eine wettbewerbsfähige Musterwaffe bereit zu stellen, kritisiert der Waffenhersteller aus Eckernförde. Unternehmen, die nicht bereits Lieferanten der Bundeswehr seien, würden benachteiligt. Das gelte besonders für den nötigen Test des Gewehrs mit der gewünschten Munition. Sig Sauer sei der Zugriff auf die Munition mit dem Hinweis verweigert worden, das würde einen Wettbewerbsvorteil darstellen.

Heckler & Koch war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Das Unternehmen Sig Sauer hatte sich als deutsch-amerikanische Bietergemeinschaft mit dem Gewehr MCX am vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb beteiligt. 522 dieser halbautomatischen Sturmgewehre soll nun die Polizei in Schleswig-Holstein erhalten. Das teilte das Innenministerium des Landes am Freitag mit. Der Auftrag mit Zubehör habe ein Volumen von 1,2 Millionen Euro.

Vorwurf der pauschalen Diskriminierung von US-Bietern

Bei der G36-Nachfolge geht es um 120 000 Sturmgewehre. Sig Sauer wirft dem Verteidigungsministerium die pauschale Diskriminierung von US-Bietern vor. Eine Bedingung im Ausschreibeverfahren sei, dass das Gewehr nicht auf der ITAR-Liste stehen darf. ITAR (International Traffic in Arms Regulations) bezeichnet ein amerikanisches Regelwerk zur staatlichen Kontrolle des Handels mit Waffen und Rüstungsgütern. Damit kontrollieren die USA den Export und Verbleib von Waffen.

Sig Sauer wertet die Einschränkung als Vorentscheidung für Heckler & Koch. Durch das Ausschlusskriterium würden sämtliche Hersteller mit „nur geringfügigen US-amerikanischen Bezug“ aus dem Verfahren ausgeladen, heißt es. Vor der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots sei von diesem K.O.-Kriterium noch keine Rede gewesen.

„Das ganze Gerede um einen ergebnisoffenen Wettbewerb wird ad absurdum geführt, wenn man Kriterien so definiert, dass das Ergebnis schon fast hervorsehbar ist“, sagt der Grünen-Verteidigungspolitiker Tobias Lindner der dpa. Das Ministerium scheine aus vergangenen Ausschreibungen und zu engen Kriterien nichts gelernt zu haben.

Jahrelange Affäre

Nach der jahrelangen Affäre um das Sturmgewehr G36 startete die Bundeswehr im April das Vergabeverfahren für ein neues Gewehr. Die Truppe benötigt rund 120 000 Sturmgewehre und entsprechendes Zubehör. Der Abschluss der Verträge ist für 2019 geplant. Die Ausschreibung sollte ursprünglich bereits 2016 erfolgen, verzögerte sich aber bis April 2017. Die Auslieferung soll 2020 beginnen, ursprünglich war 2019 als Startjahr genannt worden. Große Waffenhersteller hatten sich bereits vor Monaten in Stellung gebracht - neben Heckler & Koch und Sig Sauer auch Rheinmetall zusammen mit Steyr Mannlicher.

Das Sturmgewehr G36 des baden-württembergischen Herstellers Heckler & Koch gehört seit 1996 zur Standardausrüstung jedes Bundeswehrsoldaten. Nachdem in einer Untersuchung Präzisionsprobleme festgestellt worden waren, entschied Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) im August 2015, das G36 auszumustern und durch ein neues Standardgewehr zu ersetzen. Eine Klage gegen Heckler & Koch endete mit einer Gerichtsniederlage für die Behörde - laut Urteil hatte die Firma das geliefert, was bestellt worden war.