Der Kaffeeklatsch am Küchentisch gehört dazu: Maria Stocker (links) mit ihrer Nachbarschaftshelferin Edeltraud König. Foto: Gottfried Stoppel

Edeltraud König aus Fellbach fehlte im Ruhestand der Kontakt zu Menschen. Daher engagiert sie sich als Nachbarschaftshelferin: Sie besucht regelmäßig die 81-jährige Maria Stocker.

Fellbach - Langweilig ist es nie, wenn Maria Stocker und Edeltraud König beisammen sind. „Der Gesprächsstoff geht uns nicht aus“, versichert Edeltraud König, die der 81-jährigen Maria Stocker seit Juni vergangenen Jahres als ehrenamtliche Nachbarschaftshelferin an jedem Mittwoch und jedem zweiten Freitag einen Besuch in ihrem Zuhause in Fellbach-Oeffingen abstattet. Dann erzählt Maria Stocker Geschichten von früher: von ihren Vorfahren, die an Bord einer Ulmer Schachtel die Donau hinabfuhren und sich in Ungarn unweit von Budapest niederließen. Von der Vertreibung 1946, als sie selbst erst fünf Jahre alt war und mit ihrer Familie auf einem Bauernhof bei Ellwangen Zuflucht fand. Oder von ihrem Job als Stenotypistin, in dem sie oft stundenlang Geschäftsbriefe in Stenoschrift aufnahm und dann auf der Schreibmaschine abtippte.

Gemeinsam spaziert es sich besser

„Ich komme um 14.30 Uhr, dann schwätzen wir ein bisschen und gegen 15 Uhr geht es raus, es sei denn das Wetter ist sehr schlecht“, erzählt Edeltraud König. Mittwochs führt der Weg zum Bäcker und zum Zeitungskiosk, wo Maria Stocker sich Lektüre holt. Auf dem Rückweg besuchen die beiden Frauen noch die Familiengräber auf dem Friedhof. Freitags machen sie einen Abstecher zum Hofladen. Nach dem Spaziergang gibt’s immer ein Tässchen Kaffee. „Das ist unser Ritual“, sagt Edeltraud König.

Viele Jahre hat die 69-jährige Frau aus Oeffingen als medizinische Fachangestellte gearbeitet, dann ging sie in Rente – und vermisste den Kontakt zu Menschen. So fing sie als Nachbarschaftshelferin bei der katholischen Sozialstation Sankt Vinzenz in Fellbach an, auf deren Vermittlung hin sie außer Maria Stocker noch eine weitere Frau betreut. „Ich habe zwei bis drei Einsätze pro Woche und freue mich jedes Mal darauf, denn mich erwartet immer etwas Neues“, sagt Edeltraud König.

Unterstützung für die Familienangehörigen

Maria Stockers Zuhause in Oeffingen ist ein echtes Mehrgenerationenhaus: Im Erdgeschoss des Gebäudes, das Maria Stocker und ihr Mann Anfang der 1960er Jahre mit viel Eigenleistung gebaut haben, lebt die 81-Jährige, im Stock darüber ihre Tochter Sabine Meindl mit Mann, im Dachgeschoss wohnt die Enkelin. „Meine Mutter freut sich immer sehr auf die Besuche von Frau König“, sagt Sabine Meindl, die ihrer an Diabetes und Demenz erkrankten Mutter den Haushalt führt, Botengänge erledigt und sie bei Arztbesuchen begleitet. Um die medizinische Seite, die Einnahme der Medikamente und die Insulingabe, kümmert sich jeden Morgen eine Fachkraft des Pflegedienstes der katholischen Sozialstation.

„Für mich ist es eine Entlastung, wenn Frau König bei meiner Mutter ist, dann kann ich beruhigter etwas Anderes machen.“ Ohnehin gehe die Mutter, die früher selbst in der Nachbarschaftshilfe aktiv war, mit Edeltraud König bereitwilliger an die frische Luft als mit ihr, sagt Sabine Meindl: „Wenn ich sie zum Spazierengehen holen möchte, ist das immer ein bisschen schwieriger.“

Ihre Erinnerungen schreibt Maria Stocker nun auf

Spazierengehen, Zeit haben, zuhören – „wenn ich zu Frau Stocker komme, bin ich ganz für sie da“, sagt Edeltraud König. Für deren Familie sei das eine Gelegenheit, mal ohne Zeitdruck und schlechtes Gewissen Dinge zu erledigen oder ein bisschen durchzuschnaufen. Oft unterhalten sie sich über Maria Stockers Grundschulzeit, die sie in der Nähe von Ellwangen verbrachte. „Sie ging damals nach Pfahlheim zu den Ordensschwestern in die Handarbeitsstunde“, erzählt Edeltraud König, deren Mutter zufällig auch aus dieser Ortschaft stammt. „Ich war daher als Kind selbst oft dort und kenne mich in der Gegend gut aus – so haben wir viele Berührungspunkte.“

Ihre vielen Erinnerungen an frühere Zeiten schreibt Maria Stocker inzwischen fein säuberlich auf. Und zwar in Stenoschrift, die sie nach all den Jahrzehnten immer noch beherrscht. „Danach wird alles mit der elektrischen Schreibmaschine ins Reine geschrieben“, erzählt Edeltraud König.

Demnächst wollen die beiden Frauen sich in die Küche stellen und gemeinsam eine Spezialität von Maria Stocker backen: Schwarzwälder Kirschtorte. Nein, langweilig wird es mit Maria Stocker nie, sagt Edeltraud König: „Ich gehe jedes Mal glücklich und zufrieden nach Hause.“

Wie funktioniert organisierte Nachbarschaftshilfe im Rems-Murr-Kreis?

Organisation
 Die katholischen Arbeitsgemeinschaft der Organisierten Nachbarschaftshilfe im Dekanat Rems-Murr ist ein Zusammenschluss von sechs Nachbarschaftshilfen im Landkreis. Rund 250 Ehrenamtliche betreuen mehr als 300 Menschen.

Aufgaben
 Die Helfer besuchen Menschen zu Hause, unternehmen mit ihnen Spaziergänge, begleiten sie zum Arzt oder zum Einkaufen. Die Einsatzzeiten, deren Dauer und Häufigkeit können die Ehrenamtlichen individuell abstimmen. Für ihren Einsatz erhalten sie eine Aufwandsentschädigung, es gibt gemeinsame Treffen und Ausflüge.

Unterstützung
Die Ehrenamtlichen werden nicht ins kalte Wasser geworfen, sondern in Fortbildungen auf ihre Einsätze vorbereitet. Zusätzlich gibt es Teamsitzungen und Fallberatungen.

Ansprechpartner
Wer sich für ein Ehrenamt in der Nachbarschaftshilfe interessiert, kann sich an Julia Maier wenden, telefonisch unter 01 73 /243 42 85 oder per E-Mail an maier.j@caritas-ludwigsburg-waiblingen-enz.de).