Ein Flugzeug besprüht ein Mais-Feld in Nebraska mit Pflanzenschutzmitteln. Foto: Mauritius

Die Übernahme des US-Agrarkonzerns Monsanto könnte für das deutsche Chemieunternehmen Bayer weitreichende und vor allem negative Folgen haben, mit denen der Konzern womöglich nicht gerechnet hat.

Frankfurt - Der Leverkusener Chemiekonzern Bayer kommt nach der Übernahme des US-Agrarkonzerns Monsanto nicht zur Ruhe. Nach der Verurteilung zu 289 Millionen Dollar (254 Millionen Euro) Schadenersatz durch ein Gericht in Kalifornien hatten Anleger bereits seit Tagen Bayer-Aktien aus den Depots geworfen. Nun droht weiteres Ungemach: So sollen laut einer Studie der Environmental Working Group, einer US-Umweltorganisation, signifikante Mengen des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat in einer Reihe von Frühstücks-Getreidemischungen und Snack-Riegeln entdeckt worden sein.

Zwar weisen die betroffenen Hersteller der Lebensmittel diese Vorwürfe zurück und beteuern, dass alle geltenden Vorschriften eingehalten würden. Aber weder die Öffentlichkeit noch die Anleger scheint dies zu beruhigen, auch wenn der Bayer-Kurs am Freitag gestiegen ist.

Zahlreiche Sammelklagen

Hinzu kommen zahlreiche Sammelklagen wegen des Herbizids Dicamba, das zwar Unkraut tötet, aber auch Nutzpflanzen – sofern sie nicht aus genetisch modifiziertem Saatgut von Monsanto stammen. Bei diesen Klagen, die sich außer gegen den Bayer-Fusionspartner Monsanto auch gegen andere Unternehmen – unter anderem gegen den Bayer-Konkurrenten BASF – richteten, handle es sich um einen seit längerer Zeit bekannten Sachverhalt, erklärte der Bayer-Konzern am Freitag. Aktuell seien im Zusammenhang mit Dicamba in den USA insgesamt 37 Klagen mit 181 Klägern anhängig. „Monsanto und die weiteren Beklagten haben die in den Klagen erhobenen Vorwürfe bestritten“, erklärte Bayer weiter. Dennoch könnten die beiden größten unabhängigen Saatgut-Händler des Landes, Beck’s Hybrids und Stine Seed, bei den US-Behörden durchsetzen, dass Dicamba von Landwirten zunächst nicht mehr eingesetzt werden darf. Sollte es zu einem Verbot kommen, könnte den Bauern der Anreiz fehlen, das darauf abgestimmte Monsanto-Saatgut zu kaufen. Der Bayer-Tochter drohen dadurch Umsatzeinbußen. Insgesamt rutschte die Bayer-Aktie seit der Verurteilung zu Schadenersatz vor einer Woche um rund 18 Prozent.

Börse wie auch Bayer war offenbar nicht darauf vorbereitet

„Die Börse hat mit dem Urteil zum ersten Mal eine Zahl präsentiert bekommen, an der sie die Risiken festmachen kann. Das führte dann offenbar erst mal zu einer Verkaufspanik“, sagte Jürgen Kurz, Sprecher des Anlegerschutzvereins DSW. „Die Börse war darauf nicht vorbereitet, und Bayer war möglicherweise ebenfalls überrascht, sonst hätte man im Vorfeld wohl noch intensiver mit den großen Investoren kommuniziert“, so Kurz.

Das war Bayer indes nur bedingt möglich. Denn einen vollständigen Überblick über Monsanto kann sich der Konzern erst seit Donnerstag verschaffen: Damit die Kartellbehörden die Übernahme genehmigten, verpflichteten sie Bayer zum Verkauf großer Teile seines Saatgutgeschäfts an den Konkurrenten BASF. Bis zum Abschluss dieses Verkaufs am Donnerstag mussten Bayer und Monsanto als getrennte Unternehmen geführt werden. Wegen der Auflagen des US-Justizministeriums war Bayer der Zugang zu detaillierten internen Informationen von Monsanto nach eigenen Angaben bisher verwehrt. Könnte Bayer in den internen Unterlagen nun auf unerwartete Risiken und böse Überraschungen stoßen? Das sei eine Tatsache, die Sorgen bereite, stellte Markus Manns, Fondsmanager bei Union Investment, fest. Das mag sein, aber: Bayer habe mögliche Imageschäden durch Monsanto einkalkuliert und für das milliardenschwere Geschäft in Kauf genommen, sagte Olaf Tölke, Pharmaexperte bei der Ratingagentur Scope. „Dass Bayer sich mit Monsanto ein Reputationsrisiko ins Haus holen würde, war von vornherein klar“, so Tölke.

Wirtschaftsethiker Pies hält Aufregung für überzogen

Für Ingo Pies, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, ist dagegen die Aufregung um mögliche Spätschäden von Glyphosat überzogen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO habe zwar in einer „Gefahrenanalyse“ festgestellt, dass das Mittel möglicherweise Krebs erregen könne, vielen andere Studien hätten aber in einer „Risikobewertung“ festgestellt, dass die Wahrscheinlichkeit sehr gering sei. Gerade dies werde aber in der öffentlichen Diskussion nicht berücksichtigt, sagte Pies im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Unterschied liege darin, dass bei der Gefahrenbewertung das grundsätzliche Potenzial einer Gefährdung untersucht werde, so wie auch eine Treppe grundsätzlich eine Gefahr darstelle. Die Frage aber, welche Alternativen es gebe, werde nur in der Risikoanalyse beantwortet, und da kämen die meisten Wissenschaftler bei Glyphosat zu einem anderen Ergebnis.

Pies sagte, dass es viele ähnliche Fälle gebe, in denen höhere juristische Instanzen in den USA dann „sachgerichteter“ entschieden hätten. Dies bedeute, dass der Spruch des kalifornischen Gerichts, das auf Schadenersatz entschieden hat, bei der von Monsanto eingelegten Berufung vermutlich wenig Aussicht auf Bestand habe.

Für 63 Milliarden US-Dollar übernommen

Bayer hatte Monsanto für 63 Milliarden Dollar (54 Milliarden Euro) übernommen und ist damit zum weltweit führenden Agrochemieanbieter aufgestiegen.