Karl Nehammer soll neuer Kanzler von Österreich werden. Foto: AFP/JOE KLAMAR

Der Rückzug von Ex-Kanzler Sebastian Kurz lässt in der ÖVP keinen Stein auf dem anderen. Die Regierung wird umgebildet. Ein neuer Kanzler solls richten.

Wien - In der österreichischen Politik geht es Schlag auf Schlag: Am Donnerstag war der frühere Bundeskanzler Sebastian Kurz von der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) von all seinen weiteren Ämtern zurückgetreten, wenige Stunden darauf folgte ihm Bundeskanzler Alexander Schallenberg. Schon am Freitag benannte das Präsidium der Partei einen neuen Bundeskanzler: Der bisherige Innenminister Karl Nehammer soll die Arbeit am Wiener Ballhausplatz aufnehmen.

Nehammer gilt als Hardliner innerhalb der ÖVP. In einem ersten Statement sagte er, er werde „Linie halten“ bei der restriktiven Haltung in Sachen Asyl und Migration. Der 49-Jährige distanzierte sich in keiner Weise von Sebastian Kurz, gegen den und dessen Umfeld die Staatsanwaltschaft wegen Bestechung ermittelt. Vielmehr dankte Nehammer ihm und meinte, Kurz habe „unglaublich viel geleistet“. Er soll Kurz auch als neuer ÖVP-Parteivorsitzender folgen.

Der Parteivorsitzende behält die Macht

Karl Nehammer war einige Jahre lang Berufssoldat und stand danach in verschiedenen Funktionen im Dienst der ÖVP, die derzeit eine Koalition mit den Grünen bildet. Nehammer sagte, er habe den Wechsel ins Kanzleramt mit dem grünen Vizekanzler und Kulturminister Werner Kogler besprochen. Für Anfang kommender Woche ist die „Angelobung“, also die Vereidigung, bei Bundespräsident Alexander van der Bellen vorgesehen. Im Gegensatz zu Deutschland wird der Kanzler in Österreich nicht vom Parlament gewählt, sondern vom Präsidenten ernannt.

Innerhalb der ÖVP haben damit die einst von Sebastian Kurz entmachteten Chefs der Länder wieder an Stärke gewonnen und Nehammer eingesetzt. Kurz hatte die Partei stark auf sich selbst zugeschnitten. An dieser Struktur soll sich laut Nehammer aber nichts ändern, der Vorsitzende behalte sein „Durchgriffsrecht“. Es ist nicht zu erkennen, dass er in der Regierung inhaltlich etwas ändern möchte.

Die Regierung bleit teils loyal zu Ex-Kanzler Kurz

Dafür gibt es aber einige neue Minister. Georg Blümel etwa, ein enger Vertrauter von Kurz, ist als Finanzminister zurückgetreten. Er hatte für Spott und Häme gesorgt, als er im Ibiza-Untersuchungsausschuss auf Daten auf seinem Laptop angesprochen wurde und sagte, er besitze gar keines und führe sein Ministerium ohne dieses Hilfsmittel.

An seine alte Wirkungsstätte im Außenministerium kehrt der Kurzzeit-Kanzler Alexander Schallenberg zurück. Innenminister wird der in Niederösterreich verwurzelte Gerhard Karner, als Jugend-Staatssekretärin zieht die 26-jährige Claudia Plakolm, Chefin der ÖVP-Jugend, ins Kanzleramt ein. Bildungsminister wird der Grazer Universitätsrektor Martin Polaschek, der nicht der ÖVP angehört. Einige sehr loyale Unterstützer von Sebastian Kurz sind weiterhin auf ihren Posten wie etwa die Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger.

Der Richtige fürs Kanzleramt?

Der künftige Kanzler Karl Nehammer wird immer wieder als „Parteisoldat“ bezeichnet. Die Opposition hält ihn im Kanzleramt für fehl am Platz. So sagt der SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch, die Regierungsumbildung sei das „erschütternde Symbolbild für das Totalversagen der Volkspartei“. Nehammer habe sich durch „unsoziale und skrupellose Politik“ hervorgetan. Der scheidende Innenminister wird für Pannen bei den Sicherheitsdienstes im Vorfeld des Terroranschlags von Wien im November 2020 verantwortlich gemacht.