Norwegens neuer Langlaufheld Johannes Kläbo Foto: AFP

Langläufer Johannes Kläbo aus Norwegen könnte bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang vier Goldmedaillen holen und den ehemaligen Sprintstar Usain Bolt im New Yorker Central Park herausfordern.

Pyeongchang - Ein echter PR-Profi schafft es, sich auch dann ins Spiel zu bringen, wenn gar niemand damit rechnet. Hätte Usain Bolt wirklich Interesse am Wintersport, könnte er sich als Anschieber für den jamaikanischen Bob bewerben. Tut er aber nicht, der frühere Supersprinter liebt eher die warmen Temperaturen. Aber auch die Aufmerksamkeit. Deshalb hat er allen Olympiasiegern von Pyeongchang eine von ihm signierte Champagnerflasche versprochen, wenn sie ihre Goldmedaille auf dem Podium mit seiner typischen Gewinnerpose, dem Bolt-Blitz, feiern und ein Foto davon in den sozialen Medien teilen. Einige haben das bereits getan, einer nicht. Langläufer Johannes Kläbo hat zwar Lust auf ein Spielchen mit Usain Bolt. Aber nach seinen Regeln.

Der Norweger machte dem achtmaligen Olympiasieger und elfmaligen Weltmeister ein anderes Angebot, forderte ihm zum 100-Meter-Duell im New Yorker Central Park heraus. Er auf Skiern, Bolt in Laufschuhen. Kläbo wäre zwar chancenlos, weil die Weltrekorde (9,58 – 11,03) fast eineinhalb Sekunden auseinanderliegen, ein Spektakel aber wäre es allemal. Und zugleich zeigt der Vorschlag, was Kläbo tatsächlich plant: Er will sich positionieren, zur eigenen Marke werden, Grenzen verschieben. Auf dem besten Weg ist er längst.

Jüngster Olympiasieger im Langlauf

Sein Erfolg im Sprintrennen von Pyeongchang machte ihn zum jüngsten Olympiasieger der Langlauf-Geschichte (21 Jahre und 114 Tage), danach gab es in der Staffel Gold Nummer zwei – auf der Schlussrunde spielte Kläbo mit den Konkurrenten, ließ sie herankommen, ehe er auf den letzten 1000 Metern anzog und völlig unangestrengt mit der norwegischen Fahne in der Hand über die Ziellinie lief. Der dritte Streich soll im Teamsprint an diesem Mittwoch (9 Uhr/MEZ) folgen, und dann steht am Samstag auch noch der Marathon über 50 Kilometer an. Kläbo könnte Südkorea als erfolgreichster Olympionike mit vier Goldmedaillen verlassen. So viele hat noch kein Langläufer auf einmal eingesammelt. „Wenn es einem zuzutrauen ist“, meint Peter Schlickenrieder, „dann ihm.“

Der frühere Langläufer, TV-Experte und DSV-Vizepräsident macht sich derzeit nicht nur Gedanken darüber, warum die Deutschen in der olympischen Loipe hinterherlaufen, sondern auch über das System Kläbo. Der Jungstar lebt seine Individualität aus, vertraut vor allem seiner Familie. Trainer ist der 72-jährige Großvater, von dem er als Zweijähriger die ersten Langlaufski geschenkt bekam, Manager der Vater, PR-Agent der Bruder, Physiotherapeutin die Schwester. „Das ist typisch norwegisch“, erklärt Schlickenrieder, „Kläbo erinnert mich an Petter Northug, beide haben ihren eigenen Kopf. Aber die norwegischen Trainer schaffen es immer, selbst so starke Charaktere ins Team zu integrieren.“

Das Familienunternehmen Kläbo

Auch sportlich passt das Familienunternehmen Kläbo in keine Norm. Der Großvater ist ein konservativer Trainer, gibt keine Interviews. Von Training und Wettbewerben in der Höhe hält er nicht viel, weshalb sein Enkel in diesem Jahr auch die Tour de Ski ausgelassen hat. Am Berg pflegt der Jungstar, der für seine 21 Jahre taktisch schon enorm ausgebufft ist, eine ganz eigene Technik. In Klassik-Rennen läuft er die Anstiege nicht hinauf, er rennt nach oben. „Es gibt bei ihm fast keine Gleitphase mehr“, erklärt der deutsche Langläufer Andreas Katz, „das macht ihn extrem stark. Er ist unfassbar, ein Phänomen.“ Zumal er sowohl lange Kanten wie auch Sprints gewinnen kann. „Er weiß, dass er der stärkste Schlussläufer ist“, sagt Lucas Bögl, „und genau das spielt er aus. In jedem Rennen.“

Der Mann mit dem Lausbubengesicht ist keiner, der aus dem Nichts kam. Bei der Junioren-WM 2016 gewann Kläbo drei Goldmedaillen, Schlickenrieder hält seine Leistungen für glaubwürdig. „Ich bin mir relativ sicher, dass bei ihm alles sauber zugeht“, sagt der Experte, „auch weil er enorm viel tüftelt, ein bisschen ein durchgeknallter Typ mit einem einzigartigen Selbstbewusstsein ist. Und, ganz wichtig, weil ihm sein Großvater die nötigen Pausen gönnt.“ Auch Andreas Katz sieht keinen Grund zu übermäßigem Zweifel: „In Norwegen gibt es extrem viele Talente. Dass da hin und wieder einer dabei ist, der es besonders gut kann, mag durchaus sein.“

Kein Wunder also, dass manche Experten Kläbo zutrauen, die Langlaufszene in den nächsten Jahren zu dominieren. Eine Ära zu prägen. Und vielleicht sogar der Usain Bolt des Wintersports zu werden. Allerdings auf seine Art.