Umstritten: Thomas Kemmerich (links, FDP) war mit Hilfe der AfD und Björn Höcke (rechts) zum thüringischen Ministerpräsidenten gewählt worden. Foto: dpa/Martin Schutt

Die Wahl von Thomas Kemmerich zum kurzzeitigen Ministerpräsidenten von Thüringen hat viele Politprofis zu übereilten Statements verführt. Auch Kai Buschmann, Fraktionsvorsitzender der FDP in der Regionalversammlung, ist unter Beschuss.

Remseck/Kreis Ludwigsburg - Was einmal im Netz landet, ist schwer wieder einzufangen. Diese Erfahrung hat Kai Buschmann (FDP) in der vergangenen Woche gemacht. Dem Remsecker, der Fraktionsvorsitzender der Liberalen in der Regionalversammlung Region Stuttgart ist und seit 2015 Beisitzer im Vorstand des Landesverbands, ist ein Posting auf Facebook um die Ohren geflogen. Buschmann hatte nach der Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten in Thüringen auf Facebook gepostet: „Lieber unerwartet regieren, als gar nicht regieren! Glückwunsch an den neuen Ministerpräsidenten von Thüringen.“ Neben den Glückwünschen prangte groß das Logo seiner Partei. Eine Anspielung auf ein Statement von Parteichef Christian Lindner, der nach den geplatzten Verhandlungen über eine Jamaikakoalition im November 2017 gesagt hatte: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“

Wenn die Äußerung Buschmanns nur ein Scherz gewesen sein sollte, richtig durchdacht war sie in Anbetracht dessen, dass die Alternative für Deutschland (AfD) von Björn Höcke zum Königsmacher im Erfurter Landtag avanciert war, wohl eher nicht.

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Denn jetzt, mit etwas Abstand, rudert Buschmann zurück und revidiert seine Aussagen. Ihm seien, als er die Botschaft sendete, die Umstände der Wahl nicht bewusst gewesen. „Freuen sollte man sich nie, wenn man mit Stimmen der AfD gewählt wird“, sagt Buschmann. Er zog eine Parallele zur Wahl des Regionalpräsidenten Thomas Bopp (CDU) im vergangenen September. Bopp hatte sich in einer Kampfabstimmung gegen André Reichel (Grüne) durchgesetzt. Bopp hatte sich erst aufstellen lassen, nachdem sich die beiden ÖDP-Regionalräte der CDU-Fraktion angeschlossen hatten. Anschließend erhob vor allem Christoph Ozasek, Fraktionschef von Linke und Pirat, dennoch den Vorwurf, AfD und Christdemokraten hätten sich abgesprochen. „Da war die Situation in Thüringen ein gewisses Déjà-Vu für mich“, sagt Buschmann.

Grüne üben scharfe Kritik

Den Post am vergangenen Mittwoch habe er in der Mittagspause, zwischen zwei Terminen, abgesetzt – und sich später arg darüber geärgert. „Ich habe gegen meine eigenen Überzeugungen gehandelt“, sagt der 56-jährige Rektor der Waldschule in Stuttgart-Degerloch.

„Ich werbe eigentlich immer dafür, erst nachzudenken, bevor man etwas entscheidet oder publik macht.“ Dass er erst getippt hatte und dann nachdachte, nahmen ihm einige seiner Kollegen und auch einige Wähler übel. „Wie geschichtsvergessen und machtgeil kann man eigentlich sein? Gerade von einem Geschichtslehrer hätte ich mehr erwartet“, schrieb ein Facebooknutzer. „Das ließ sich für die FDP nicht voraussehen? Politik ist halt doch eher was für Profis...“, schreibt ein anderer.

Buschmann findet dennoch, dass die Diskussion auf seiner Facebookseite einigermaßen zivilisiert abgelaufen ist.

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Swantje Sperling, Mitglied im Kreisvorstand der Grünen, antwortet auf Buschmanns Post: „Beängstigend und eine Hohn für die Demokratie. Darauf wäre ich als FDPler nicht stolz.“ Utz Remlinger, bis 2016 Vize-Landrat in Ludwigsburg und seither Vize-Regierungspräsident in Tübingen, schrieb: „Peinliches Statement, Kai Buschmann. Die Parteibrille kann doch diese übelst riechende braune Soße nicht überdecken?!“

Markus Rösler, Landtagsabgeordneter der Grünen, schrieb in einer Pressemitteilung zum Ausgang der Wahl in Thüringen: „Für mich steht fest: Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim. Da widerspreche ich all denjenigen von der CDU und FDP, die nach der Wahl Gegenteiliges mitteilten.“

Künftig etwas mehr Zurückhaltung?

Der Kreisvorstand der FDP hatte einen Tag nach der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen mitgeteilt, dass das Wahlverhalten der AfD, die ihren Stimmen statt dem eigenen Kandidaten Christoph Kindervater, 42, Thomas Kemmerich gegeben hatte, nicht abzusehen war. „Es steht fest, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD in irgendeiner Weise geben wird“, hieß es in der Mitteilung. Wie es in Thüringen weitergeht, ist indes unklar. Kemmerich hat Konsequenzen gezogen und ist zurückgetreten.

Konsequenzen aus seinem Facebookposting zieht Kai Buschmann indes kaum. Er will sich nicht mehr so schnell zu Tagesaktuellem äußern. Seine Facebookseite ist nicht öffentlich, Sympathisanten der AfD hat er ausgeschlossen – schon vor der Wahl in Thüringen. „Ich habe nämlich keine Zeit, mich um Trolle zu kümmern.“