Offene Konfrontation: Donald Trump geht nicht nur auf Twitter los. Foto: AFP/OLIVIER DOULIERY

Donald Trump ist einer der aktivsten Nutzer von Twitter. Nun geht er auf offene Konfrontation mit dem Online-Dienst und anderen sozialen Medien. Twitter gibt nicht klein bei und versieht einen weiteren Tweet des US-Präsidenten mit einem Warnhinweis.

Washington - Donald Trump sagt Twitter und Co. mitten im Wahlkampf ums Weiße Haus den Kampf an. Der US-Präsident will per Verfügung die Freiheit der Online-Plattformen einschränken, gegen einzelne Nutzer und Inhalte vorzugehen. Auslöser war der Faktencheck eines Tweets, in dem er behauptete, Briefwahl erhöhe das Risiko von Fälschungen. Twitter versah kurz darauf einen weiteren Tweet von Trump mit einem Warnhinweis, weil der Beitrag gegen das Verbot von Gewaltverherrlichung bei dem Dienst verstoße.

Trump hatte in dem Tweet zu den Ausschreitungen in Minneapolis nach dem Tod eines Afroamerikaners durch Polizeigewalt unter anderem von „Schlägertypen“ gesprochen, die das Andenken des Opfers entehrten. Man werde aber die Kontrolle zurückgewinnen. „Wenn Plünderungen beginnen, wird geschossen“ - „when the looting starts, the shooting starts“, drohte der Präsident.

Twitter betonte am Freitag zugleich, der Tweet werde trotzdem auf der Plattform bleiben, weil dies im öffentlichen Interesse sei. In einigen Ansichten sieht man statt des Tweets zunächst nur den Warnhinweis und muss sich erst zu dem Beitrag durchklicken. Twitter wurde zuvor jahrelang vorgeworfen, bei aggressiven Tweets Trumps ein Auge zuzudrücken, während der Dienst bei gewöhnlichen Nutzern strengere Maßstäbe ansetze.

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Trump wirft Online-Netzwerken vor, unliebsame Ansichten zu zensieren und so Meinungsfreiheit und Demokratie zu gefährden. Die Verfügung nimmt den umfassenden rechtlichen Schutz der Online-Dienste ins Visier - einen Grundpfeiler, der Facebook, Twitter und YouTube in ihrer heutigen Form erst möglich gemacht hat. Trump will die Umsetzung einer als „Section 230“ bekannten Klausel neu ordnen. Gemäß dieser Regelung aus einem Gesetz von 1996 werden Online-Dienste nicht für von Nutzern veröffentlichte Inhalte haftbar gemacht. Zugleich gibt sie den Plattformen weitreichende Freiheit, gegen bestimmte Inhalte oder Nutzer vorzugehen.

Mit der Verfügung beauftragte Trump die Telekom-Aufsicht FCC und die Verbraucherschutzbehörde FTC Regeln auszuarbeiten, damit niemand benachteiligt oder bevorzugt werde. FCC-Mitglied Jessica Rosenworcel kritisierte umgehend, die Behörde zur „Sprach-Polizei des Präsidenten zu machen“, sei die falsche Antwort auf die Probleme der Branche.

Twitter demonstrierte mit dem Warnhinweis am Freitag, wie eine konsequente Umsetzung seiner Regeln auch den Präsidenten selbst treffen könnte. Zuvor hatte der Kurznachrichtendienst kritisiert, die Verfügung sei reaktionär. Versuche, die „Section 230“ auszuhöhlen, bedrohten die Meinungsfreiheit im Internet.

Facebook warnte, Einschränkungen der „Section 230“ würden dazu führen, dass die Dienste aus Vorsicht gegen mehr Beiträge statt weniger vorgehen würden. Google kritisierte, die Klausel auf diese Weise zu untergraben, „wird Amerikas Wirtschaft und seiner globalen Führungsrolle bei der Freiheit im Internet schaden“.

Es gehe Trump um den Schutz der Meinungsfreiheit

Justizminister William Barr betonte, die Klausel solle nicht abgeschafft, aber reguliert werden. Sie sei weit über ihren ursprünglichen Zweck hinaus strapaziert worden. Man schaue sich verschiedene gesetzgeberische Optionen dazu an. In der Verfügung werden außerdem Ministerien und Bundesbehörden aufgerufen, Ausgaben für Werbung und Marketing auf Online-Plattformen zu überprüfen.

Trump sagte, es gehe um den Schutz von Meinungsfreiheit und Demokratie. Große Online-Plattformen hätten „unkontrollierte Macht“, Interaktion zu zensieren und einzuschränken. Sie seien keineswegs neutrale Plattformen, auf der jeder seine Meinung äußern könne, sondern sie versuchten, Ansichten, die ihrem politischen Standpunkt nicht entsprächen, zu unterdrücken. „Wir können das nicht zulassen“, mahnte er. „Diese Zensur und Voreingenommenheit ist eine Bedrohung für die Freiheit.“ Der Präsident sagte, er rechne mit Klagen gegen sein Vorgehen, sei jedoch entschlossen, dies durchzuziehen. „Wir haben es satt.“

Auslöser für Trumps Vorstoß ist eine Auseinandersetzung mit Twitter. Der Kurznachrichtendienst hatte am Dienstag erstmals einen Tweet des Präsidenten einem Faktencheck unterzogen. Darin hatte Trump behauptet, dass Briefwahl Wahlbetrug Vorschub leiste. Dem Faktencheck zufolge ist dies irreführend. Trump warf Twitter daraufhin vor, sich in die US-Präsidentenwahl im November einzumischen. Bei der Unterzeichnung der Verfügung bezeichnete er den Faktencheck von Twitter als „unangemessen“ und „politischen Aktivismus“.

Ablenkung von Versäumnissen in der Corona-Krise?

Trumps Vorhaben entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Er nutzt soziale Medien wie Facebook und Twitter extensiv für seine Zwecke und hat im Wahlkampf viel Geld für Werbung in sozialen Medien ausgegeben. Als Präsident hat er Twitter zu seinem Hauptkommunikationskanal gemacht, um dort täglich und ausschweifend an den - ihm zumeist verhassten - traditionellen Medien vorbei Botschaften an die Öffentlichkeit auszusenden. Er hat dort inzwischen mehr als 80 Millionen Follower und gehört damit zu den - in Sachen Reichweite - erfolgreichsten Twitterern weltweit.

Trumps Sprecherin Kayleigh McEnany sagte, wenn überhaupt jemand einem Faktencheck unterzogen werden müsse, dann die Medien. Auf die Frage, ob sie Anspruch darauf erhebe, dass der Präsident nie Unwahrheiten verbreite, sagte sie: „Seine Absicht ist immer, der amerikanischen Bevölkerung wahrheitsgemäße Informationen zu geben.“ Wie erfolgreich er bei der Umsetzung dieser „Absicht“ ist, ließ sie offen.

Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, warf Trump vor, seine Verfügung sei eine „verzweifelte Ablenkung“ von dessen Versäumnissen in der Corona-Krise. Die USA hatten am Mittwochabend die düstere Marke von 100 000 Toten in Folge der Pandemie überschritten - eine Zahl, die für immer einen Schatten auf Trumps Amtszeit werfen dürfte, und das wenige Monate, bevor er sich im November um eine zweite Amtszeit bewirbt.