Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ziehen bei der Aufarbeitung des Dieselskandals nicht an einem Strang. Foto: AFP

Nach einer Untersuchung des Umweltbundesamtes reichen die Entscheidungen des Dieselgipfels nicht aus. Doch selbst die Regierung ist sich in der Bewertung uneins. Auch die Automobilindustrie widerspricht.

Berlin - Die Aussagen des Umweltbundesamt lassen aufhorchen: „Dass die Luft in den Städten trotz Software-Update kaum spürbar besser wird, liegt ganz einfach am viel zu schlechten Ausgangsniveau der Fahrzeuge“, sagte Maria Krautzberger, die Präsidentin des Umweltbundesamtes. Im Auftrag von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) untersuchte die Behörde, wie stark die auf dem Dieselgipfel beschlossenen Maßnahmen die Stickoxidbelastung in Städten reduziert. Das Ergebnis ist ernüchternd: Selbst unter optimistischen Annahmen werde die Stickoxidbelastung nur um bis zu sechs Prozent sinken. In den meisten Städten dürfte die Schadstoffbelastung damit auch künftig über den Grenzwerten liegen, so die Prognose der Behörde. Die Umweltministerin erneuerte deshalb ihre Forderung an die Autobauer, die Motoren von älteren Dieselfahrzeugen durch Umbauten nachzubessern. Doch nicht die gesamte Regierung teilt diese Einschätzung. Das Verkehrsministerium blieb bei der Einschätzung, dass die beschlossenen Maßnahmen ausreichten.

Ministerin stellt Ergebnisse auf den Prüfstand

Umweltministerin Hendricks hatte die Untersuchung beim Umweltbundesamt gleich nach dem Dieselgipfel von Anfang August in Auftrag gegeben, um die Wirkungen abzuschätzen. Die Behörde, die dem Umweltministerium unterstellt ist, berechnete daraufhin für zwei Innenstadtbereiche in Deutschland ein bestimmtes Szenario: Es wurde untersucht, welche Effekte die auf dem Dieselgipfel beschlossenen Maßnahmen haben. Dies wurde anhand der Daten für die viel befahrenen Landshuter Allee in München und einer mittel belasteten Straße in Mainz ermittelt. Dabei kommt heraus, dass das Software-Update für 5,3 Millionen Dieselfahrzeuge nur eine Stickoxid-Entlastung von drei bis sieben Prozent bringt. Die Wirkung der Kaufprämie wird auf null und zwei Prozent geschätzt. Im Schnitt kommt die Behörde damit auf eine Schadstoffverringerung um sechs Prozent. Nach der Schätzung des Umweltbundesamtes können mit den Instrumenten des Dieselgipfels die Stickoxidemissionen nur in 20 von 90 belasteten Städten reduziert werden. In 70 Kommunen dürften die Grenzwerte von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft auch künftig überschritten sein.

Damit drohen weiterhin Fahrverbote. Hendricks betonte zwar, die Regierung habe das Ziel, Fahrverbote abzuwenden. Doch dafür müsse die Industrie ihren Verpflichtungen nachkommen und ältere Dieselfahrzeuge mit Katalysatoren ausstatten. Hendricks ist sogar unzufrieden mit der neuen Dieseltechnik. Selbst die Besitzer der emissionsarmen Euro-6-Norm könnten nach Hendricks Worten vor Fahrverboten nicht sicher sein. Bisher waren sich Industrie und Politik immer einig, dass Dieselfahrzeuge mit Euro-6-Norm die strengsten Anforderungen erfüllen. Hendricks will dies nur für die neuesten Dieselfahrzeuge mit der Norm-Euro-6d gelten lassen. Die Ministerin vollzieht damit eine überraschende Wende: „Wenn Bürger ganz sicher sein wollen, dass sie nicht von Fahrverboten erfasst werden, sollten sie die Euro-6d-Norm haben.“ Ob der Autofahrer bei dem technischen Verwirrspiel überhaupt noch mitkommt, daran bestehen allerdings Zweifel.

Verkehrsministerin sieht keinen Anlass für Korrektur

Das Verkehrsministerium sieht jedenfalls keinen Anlass, von den bisherigen Entscheidungen abzurücken. Es sei zu früh, einzelne Maßnahmen herauszupicken und zu bewerten, erklärte ein Sprecher von Minister Alexander Dobrindt (CSU). Es komme auf das gesamte Maßnahmenpaket an. Dazu gehöre neben der Software-Nachrüstung und den Kaufprämien der Hersteller auch der Mobilitätsfonds für die Städte. Mit dem Fonds soll beispielsweise der Verkehrsfluss in den Innenstädten verbessert werden.

Die Automobilindustrie warnte die Politik davor, beim Dieselthema in den Wahlkampfmodus zu verfallen. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht keinen Anlass für Nachjustierungen. „Wenn jetzt bereits weitere Forderungen erhoben werden, scheint das eher dem laufenden Wahlkampf als Sachgründen geschuldet zu sein“, erklärte der VDA. Die Industrie bezweifelt zwar nicht die Berechnungen des Umweltbundesamtes. Der VDA betonte aber, es müssten alle Instrumente betrachtet werden. Die Software-Aktualisierung, die Umstiegsprämie sowie die stetige Bestandserneuerung könnten den Stickoxidausstoß spürbar reduzieren. Nach VDA-Berechnungen gingen die Emissionen bis Anfang 2019 um zwölf bis 14 Prozent zurück – und das im Vergleich zu 2017. „Voraussetzungen dafür ist, dass Industrie, Politik und Autofahrer an einem Strang ziehen“, meinte der VDA.