Seit dem WM-Aus der DFB-Elf gibt es emotionale Diskussionen über Oliver Bierhoff. Foto: imago//Markus Ulmer

DFB-Geschäftsführer Oliver Bierhoff steht nach dem WM-Aus mehr denn je in der Kritik. Warum die in der emotional überhitzten Debatte aber nicht immer berechtigt ist.

Es ist mal wieder schwer in Mode gekommen, Oliver Bierhoff zu kritisieren. Es gibt ein paar Tage nach dem deutschen WM-Aus in der Wüste kaum einen Experten, der den Geschäftsführer des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) am liebsten schnell wieder dort hinschicken würde. Bierhoff muss weg, das sagen die meisten. Und bei nicht wenigen fragt man sich angesichts der Schärfe ihrer verbalen Botschaften, was sie selbst so alles hingekriegt haben, nachdem sie den Rasen einst als Fußballprofi verlassen hatten. Man stellt dann fest: Es ist bisweilen sehr wenig.

Bierhoff hat seinen Kernbereich zeitweise vernachlässigt

In dieser emotional überhitzten Debatte über Bierhoff könnte eine, nun ja, kühle und sachliche Diskussion über den Manager und seine Fachbereiche ja mal nicht schaden. Matthias Sammer, Europameister von 1996, versuchte sich nun darin. So sagte er, dass das Abschaffen der Position des Sportdirektors beim DFB aus seiner Sicht ein Fehler war. „Ein Sportsystem ohne einen übergeordneten sportlichen Leiter – das ist das Bild des DFB“, sagte er und ergänzte: „Den Fehler, diese Position abzuschaffen, auf die Idee musst du erst mal kommen.“ Sammer hatte zwischen 2006 und 2012 in dieser Funktion beim DFB gearbeitet.

Er trifft dabei einen der Hauptkritikpunkte, die Bierhoff seit Jahren zumindest indirekt angelastet werden. So kümmerte sich der Manager der DFB-Elf lange auch noch um Konzeption, Aufbau und Personal der nun fertiggestellten DFB-Akademie in Frankfurt. Also hat er seinen Kernbereich – die Nationalmannschaften – zeitweise vernachlässigt. Bierhoff hat sich das vor einigen Jahren selbst eingestanden.

Bierhoff sprach vor etwa zehn Jahren die Missstände im Jugendbereich an

Allerdings: In Joti Chatzialexiou hat er einen Vertrauten, der dafür zuständig ist. Er ist, ganz offiziell: der sportliche Leiter der Nationalmannschaften. Es gibt ihn also, zumindest rund um die DFB-Elf – aber es gibt ihn halt irgendwie auch nicht, weil Chatzialexiou eher ein Mann ist, der im Hintergrund wirkt. Er ist nicht das prägende Gesicht rund um das Nationalteam, weil niemand sein Gesicht kennt.

In den fröhlichen Expertenkritikstunden wurde Bierhoff nun auch vorgeworfen, dass er und seine Vertrauten ein Kernproblem in der Nachwuchsförderung viel zu spät angepackt hätten. Dazu lässt sich sagen: Das ist Unfug. Denn Bierhoff war es, der vor etwa zehn Jahren die Missstände im Jugendbereich ansprach. Sie lauteten: Es gibt keine echten Stürmer mehr, keine Außenverteidiger, zu viel Schulung der Taktik und zu wenig Förderung der Technik. Bierhoff hat das Problem beim DFB längst angepackt. Allerdings: Er findet mehr denn je kaum Gehör. Einerseits, weil auch die Landesverbände in der föderalen Struktur des deutschen Fußballs sowie die meisten Experten in den Nachwuchsleistungszentren der Clubs selbst längst wissen, wo die Probleme liegen. Andererseits liegen die Probleme der mangelnden Akzeptanz für Manager Bierhoff tiefer.

Die teils von Bierhoff angeschobenen Reformen brauchen Zeit, bis sie greifen

Denn schon seit der Zeit um die Heim-WM 2006 herum gibt es eine Kluft zwischen Bierhoff und dem Rest des deutschen Fußballs. Wir erklären euch jetzt mal, wie der Fußball geht: Mit dieser Attitüde packten Bierhoff und sein Mitstreiter Jürgen Klinsmann im Sommer 2004 – leicht überspitzt formuliert – die Dinge an.

Bis heute hallt diese von vielen als arrogant empfundene Haltung nach. Die Stimmung wurde nicht besser, als Bierhoff sein Prunkstück, die 150 Millionen Euro teure DFB-Akademie, bauen ließ. Die wird inzwischen von manchen Clubvertretern als abgehobenes Bierhoff-Raumschiff bezeichnet.

In dieser Gemengelage wird gerne vergessen, dass die teils von Bierhoff angeschobenen Reformen Zeit brauchen, bis sie greifen. So gingen nach dem Ende der Rumpelfußball-Ära um die Jahrtausendwende 14 Jahre ins Land, bis die DFB-Elf 2014 Weltmeister wurde. Dazwischen wurde die Ausbildung auf den Kopf gestellt, und irgendwann hatte Deutschland keine Rumpelkicker mehr, sondern eine Ansammlung an Hochbegabten. Das war nicht nur, aber seit 2004 auch: Bierhoffs Werk.

Matthias Sammer hat bereits abgewinkt

Jetzt, im Dezember 2022, stehen der Manager und der deutsche Fußball am Scheideweg. Das erste Krisengespräch zwischen der Spitze des DFB und der sportlichen Führung um Bierhoff ist für diesen Mittwoch in Frankfurt angesetzt. Es geht für Bierhoff also um nichts weniger als seine Zukunft.

Vielleicht ist beim DFB nun die Zeit gekommen für die eine hoch anerkannte Figur, die die Dinge in alle Richtungen moderiert – und die Leitlinien vorgibt. Matthias Sammer, so viel sei gesagt, hat bereits abgewinkt.