Der Tritt in der Randalenacht im Juni im Bereich Kleiner Schlossplatz/Kronprinzstraße. Foto: Screenshot Youtube

Nach der Randalenacht in der Stuttgarter Innenstadt im Juni hat die Polizei inzwischen 100 Beteiligte identifiziert. Einer fehlt aber noch auf der Liste.

Stuttgart - Der Angriff dauert keine drei Sekunden. Mit vollem Tempo und gestrecktem Bein springt ein junger Mann gegen einen Polizeibeamten, der das Unheil gar nicht kommen sieht. Während der Polizist über einem Festgenommenen kauert, wird er in Kung-Fu-Manier mit großer Wucht umgetreten. Es ist eine der dramatischsten Szenen der Stuttgarter Krawallnacht am 20. Juni – und gehört auch nach über drei Monaten zu den ungeklärten Fällen der Sonderermittlungsgruppe.

Die übers Internet verbreitete Szene ist aus mehreren Perspektiven zu sehen. Der Angreifer ist ein junger Mann, schlank, dunkel gekleidet, Baseballmütze, Mundmaske. Fast verliert er bei dem Angriff seinen Schuh – er kann ihn sich aber zurechtzupfen und sprintet davon. Der Polizist, ein Dienstgruppenführer des Cannstatter Reviers, trägt zum Glück Schutzkleidung. Beim Polizeipräsidium Ravensburg habe ein solchermaßen angesprungener Beamter einen gebrochenen Halswirbel erlitten, sagte Polizeipräsident Franz Lutz später bei einer Anhörung im Stuttgarter Rathaus.

Nach der Ministerbilanz zwölf weitere Verdächtige

Die Ermittlungsgruppe Eckensee hat nach Informationen unserer Zeitung inzwischen 100 Tatverdächtige identifiziert, die in jener Nacht direkt an den Ausschreitungen und Plünderungen beteiligt gewesen sein sollen. Diese Größenordnung wurde am Freitag von der Staatsanwaltschaft bestätigt. „Was den einzelnen genau vorgeworfen wird, können wir aber erst nächste Woche mitteilen“, sagt Sprecherin Claudia Krauth. Generell könnten nicht alle Verdachtslagen tatsächlich erhärtet werden, manchmal handelt es sich auch eher um Folgetaten.

Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) hatte vor über zwei Wochen im Ministerrat Zwischenbilanz gezogen und von 88 ermittelten Tatverdächtigen berichtet, die direkt an den Ausschreitungen beteiligt gewesen seien. Damit wären nun zwölf weitere mutmaßliche Randalierer dazugekommen. Ermittelt wurde außerdem ein halbes Dutzend Verdächtige, die als Hehler die Beute aus den geplünderten Geschäften weiterverkaufen wollten.

Die Fahnder bleiben „zuversichtlich“

Die Ausschreitungen in der Innenstadt waren in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni losgebrochen, als die Polizei einen Drogenverdächtigen am Eckensee hinterm Neuen Schloss festnehmen wollte. Die Frage der Herkunft der Täter wurde bald schon zu einem Politikum. Laut Strobl sind unter den Verdächtigen zwei Drittel Deutsche, von denen wiederum drei Viertel einen Migrationshintergrund haben.

Fehlt nur noch der Kung-Fu-Treter. Die Szene sei unzählige Mal ausgewertet worden, heißt es in Ermittlerkreisen. Allerdings sind es nicht nur Bilder, die den Unbekannten entlarven können. Auch sonst gibt es Spuren, die kriminaltechnisch Ansätze bieten. Man sei „zuversichtlich“, heißt es, dass der Täter auch noch nach über drei Monaten überführt werden kann.