Noch gehen bei der Stuttgarter CDU in der Leuschnerstraße die Lichter nicht aus. Nach einer Serie von Wahlniederlagen gegen die Grünen ist die Partei aber angeschlagen. Foto: Leif Piechowski

Nach der OB-Wahl haben die CDU und ihr Kandidat Sebastian Turner eine Niederlage eingeräumt – aber keine Fehler. Für CDU-Kreischef Stefan Kaufmann ist das Ergebnis nur „ein kleiner Rückschlag“ auf seinem Kurs der CDU-Erneuerung.

Stuttgart - Soll so die Aufarbeitung einer Wahlschlappe aussehen? Die rund 30 Journalisten in der CDU-Kreisgeschäftsstelle reiben sich am Montag verwundert die Augen. Bei der Manöverkritik der Repräsentanten von CDU, FDP, Freien Wählern und ihres Kandidaten Sebastian Turner blitzen keinerlei Selbstzweifel auf – dabei hat die CDU nach 38 Jahren den OB-Sessel in Stuttgart verloren, ihn nicht mal mehr mit einem Parteilosen ihrer Wahl besetzen können.

Mit dem Wort Verlierer will Turner (46) sich nur indirekt identifizieren. „Jede Wahl hat Gewinner und Verlierer – ich bin nicht der Gewinner“, formuliert er. Sein Abschneiden sei „nicht so gut wie erhofft, aber besser als erwartet“. Wie CDU-Chef Stefan Kaufmann gibt er zu bedenken, dass man das zweitbeste Ergebnis bei den OB-Wahlen in Deutschlands Großstädten erzielt habe. Kaufmann: „Darauf müssen wir aufbauen.“

Turner hält sich zugute, dass er im zweiten Wahlgang zahlreiche Wähler der ausgeschiedenen SPD-Kandidatin Bettina Wilhelm erobert habe. Das Wählerreservoir des eigenen Lagers habe er annähernd so gut ausgeschöpft wie Wolfgang Schuster 1996 – prozentual sogar noch besser. „Mit den von mir erreichten 88.000 Stimmen hätte es bei den Wahlen 1996 und 2004 zum Wahlsieg gereicht“, erklärt Turner sogar. Das Ergebnis sei mehr oder weniger identisch mit dem Resultat von CDU, FDP und Freien Wählern bei der Gemeinderatswahl 2009 – und deutlich besser als das Ergebnis von CDU und FDP mit 37,6 Prozent bei der Landtagswahl 2011, sagt Kaufmann.

„Ich würde vielleicht eher 900 statt 577 Wahlkampftermine machen“

Fehler vermögen Turner und Kaufmann nicht zu erkennen. Natürlich gebe es vieles, von dem man nachträglich denke, man könnte es besser machen, sagt Turner. „Ich würde vielleicht eher 900 statt 577 Wahlkampftermine machen“, fügt er hinzu.

Kuhns Vorwurf, es sei ein Schmähwahlkampf gegen ihn geführt worden, weisen Turner und Kaufmann nicht nur zurück – sie drehen ihn um. Kuhn selbst habe den Rivalen Turner geschmäht, indem er ihn als Pausenclown und Flopp bezeichnet habe. Außerdem habe er behauptet, Turner habe in der Vergangenheit mit seiner Werbeagentur Millionen-Aufträge von der CDU erhalten. Turner: „Das ist entweder eine Falschaussage oder zeugt von einem falschen Staatsverständnis, weil Partei und Landesregierung verwechselt wurden.“ Entschuldigt habe sich Kuhn nie.

Getroffen hat Turner auch, dass „Hunderte von Bahnhofsgegnern“ ihn nach der Wahlkampfveranstaltung mit Bundeskanzlerin Merkel mit Trillerpfeifen durch die Stadt begleiteten und „Turner raus“ riefen. Oder dass Prospekte von angeblichen Turner-Unterstützern mit Nazisymbolen verteilt worden seien. Opfer eines Negativwahlkampfs sei er selbst geworden. Er habe keinen Negativwahlkampf geführt.

Trotzdem versichert Turner, durch die Kandidatur habe er einige der anregendsten und lehrreichsten Monate seines Lebens hinter sich: „Es hat sich gelohnt.“ Ob er bei der OB-Wahl 2020 wieder zur Verfügung stehe, wenn Kuhn sich altershalber zurückziehen muss, könne er heute noch nicht sagen. Auch wisse er noch nicht, ob die Familie nach Stuttgart ziehe oder in Berlin bleibe.

Kaufmann hält ein Überdenken der landes- und bundespolitischen Konzepte der CDU für nötig

Als Werbeprofi könne er der CDU auch nicht sagen, wie sie ihr Großstadtproblem in den Griff bekommen könnte, sagt Turner. Das sei ausschließlich eine „Frage der Inhalte und ihrer Wahrnehmung“. Die Wahrnehmung einer politischen Richtung ändere sich nur in längeren Zeiträumen. Die Inhalte seines Wahlkampfes seien richtig, aber nicht genügend zu vermitteln gewesen.

Kaufmann hält ein Überdenken der landes- und bundespolitischen Konzepte der CDU für nötig, damit man die Chance hat, als CDU wieder besser das Lebensgefühl der Menschen in den Großstädten zu treffen. Das sei ein mühsamer Weg – aber schon 2013 muss der Abgeordnete Kaufmann im Bundestagswahlkreis Stuttgart-Süd wieder gegen den Grünen-Bundesvorsitzenden Cem Özdemir antreten. Mit Sicherheit werde er in drei Wochen wieder für den Kreisvorsitz der CDU kandidieren, sagt Kaufmann. Gleich mehrmals erwähnt er, dass der von ihm ausgesuchte Kandidat Turner mit einer Zweidrittelmehrheit von einem Parteitag nominiert worden sei. „Wir sind sicher, er war der richtige Kandidat fürs Lager der bürgerlichen Gruppierungen“, sagt Kaufmann auch im Namen des FDP-Kreisvorsitzenden Armin Serwani und des Freien-Wähler-Chefs Peter Aichinger. Dass einzelne Kritiker seinen Rücktritt forderten, nehme er zur Kenntnis, sagt Kaufmann im Hinblick auf die Äußerungen der CDU-Bürgermeisterin Susanne Eisenmann.