Die politischen Mehrheitskonstellationen im neuen Stuttgarter Gemeinderat sind noch vage. Foto:  

Im neuen Gemeinderat hat die bisher knappe ökosoziale Mehrheit ihren Vorsprung nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis deutlich ausgebaut. Wer macht künftig mit wem gemeinsam Politik?

Stuttgart - Die Wahl ist gelaufen, die Sitzverteilung im neuen Gemeinderat steht fest. Die letzte wichtige Personalie hatte der alte Rat noch am Donnerstag vor der Kommunalwahl erledigt: die Wahl der neuen Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann (Grüne). „Das war sehr wichtig“, so der als Kreiswahlleiter fungierende Ordnungsbürgermeister Martin Schairer. Denn bis zur Konstituierung des neuen Kommunalparlaments am 25. Juli darf das bisherige Gremium keine weitreichenden Entscheidungen mehr treffen – und danach folgt die Sommerpause. Das Regierungspräsidium Stuttgart hatte der Stadt daher empfohlen, die Bürgermeisterwahl noch vor der Kommunalwahl über die Bühne zu bringen.

Wie aber steht es um die Mehrheitsverhältnisse und mögliche Kooperationen im frisch gewählten Gemeinderat? Bisher gab es im Stuttgarter Rathaus rechnerisch die sogenannte ökosoziale Mehrheit aus 14 Grünen, neun Sozialdemokraten sowie der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus mit acht Stadträten. Rechnet man die Stimme des grünen OB Fritz Kuhn hinzu, verfügte diese „Koalition“ über 32 von 60 Stimmen. Allzu oft kam diese Mehrheit jedoch nicht zum Tragen, da wahlweise die SPD oder SÖS/Linke-plus andere Ansätze verfolgten und die Grünen mitunter im Regen stehen ließen. Immerhin: Große Vorhaben wie das Konzept für eine autofreie Innenstadt schmiedeten die drei Parteien gemeinsam.

Schwarz-grüne Haushaltsmehrheit ist dahin

Auf der anderen Seite gab es eine sogenannte Haushaltsmehrheit aus 14 Grünen und 17 Christemokraten, die wechselweise ihre wichtigsten Projekte im Doppeletat durchsetzten, ohne dabei über Gebühr Rücksicht auf die anderen Parteien nehmen zu müssen. Diese Mehrheit existiert nicht mehr. Die Grünen kommen jetzt auf 16, die CDU auf 11 Sitze, haben also 27 Mandate, mit der Stimme des OB 28. Damit werden die Stimmen von SPD (sieben Mandate), SÖS/Linke-plus, die auf fünf Sitze wieder erstarkte FDP und die Freie Wähler Wähler (vier Stadträte) zum Zünglein an der Waage, zum Beispiel bei der Verabschiedung des Doppelhaushalts, über den ab September beraten wird. Wie sich die vierköpfige AfD-Fraktion im neuen Rat positioniert, muss man abwarten.

Was die ökosoziale Mehrheit angeht, bleibt es spannend: Die Grünen sind hier erneut auf SPD und eine Fraktionsgemeinschaft um Linke und SÖS (zusammen sechs Sitze) angewiesen, der sich voraussichtlich wieder der Stadtrat der Piraten anschließen wird. Auch die Stadträtin der Jungen Liste kommt als Partner in Frage. Diese Konstellation käme auf 31 Stimmen. Zählt man die beiden Vertreter der Stadtisten, der Tierschutzpartei sowie die Stadträtin der Spaßpartei „Die Partei“ hinzu, gäbe es rein rechnerisch mit 34 Stimmen sogar eine deutlichere Mehrheit als bisher – und das auch ohne die Stimme des Oberbürgermeisters. Allerdings: Sollten SPD oder SÖS/Linke eine Linie fahren wie in den letzten fünf Jahren, dürfte die ökosoziale Mehrheit bei vielen Themen wieder nur eine rechnerische bleiben.

Kleine Parteien und Wählervereinigungen könnten Fraktionsgemeinschaft schmieden

Doch es könnten sich auch neue Konstellationen bilden: Denn die Einzelstadträte der kleinen Parteien und Wählervereinigungen könnten durchaus selbst eine eigene Fraktionsgemeinschaft bilden – entsprechende Überlegungen werden nach Informationen unserer Zeitung jedenfalls angestellt. So wäre etwa eine Kooperation aus den beiden Stadtisten, Tierschutzpartei, Junger Liste und der Partei vorstellbar, die dann als Fraktionsgemeinschaft ähnlich SÖS/Linke-plus firmiert und mit bis zu fünf Sitzen dementsprechend über mehr politische und finanzielle Möglichkeiten verfügt als als jeweilige Einzelstadträte beziehungsweise Gruppe. Der Vertreter der Liste „Kein Fahrverbot in Stuttgart“, Joannis Sakkaros, wird nach eigenen Angaben versuchen, bei den Freien Wählern anzudocken. Aber auch die CDU oder die FDP kämen eventuell als Partner in Frage.

Aber auch eine Fraktionsgemeinschaft aus Linken und SÖS, dem Piraten, dem Stadtrat der Tierschutzpartei sowie der Vertreterin der „Partei“ wäre denkbar, die dann der SPD den Rang als drittstärkste Fraktion ablaufen würde. Die Stadtisten dagegen täten sich dem Vernehmen nach mit einem solchen Zweckbündnis schwer. Möglich auch, dass die neu gewählte Vertreterin der Jungen Liste, Julia Schmid, zu einer Zusammenarbeit mit den Grünen tendiert. Deren Fraktionschef Andreas Winter schließt eine Fraktionsgemeinschaft mit dem einen oder anderen Repräsentanten der kleinen Parteien zumindest nicht kategorisch aus: „Das müssen wir jetzt mal abwarten.“