In Italien haben die Carabinieri Verdächtige festgenommen, darunter Mario L.. Foto: Carabinieri

Ist Mario L. der Kopf der ’Ndrangheta in Süddeutschland? In den 90er Jahren hat er den ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger in Bedrängnis gebracht. Nun wird ihm vorgeworfen, ein Mitglied der Mafia­organisation ‘Ndrangheta und des Clans Farao-Marincola zu sein.

Stuttgart - Der Name dürfte einigen Politikbeobachtern bekannt vorkommen: Bei der gemeinsamen Aktion von deutschen und italienischen Ermittlern gegen die kalabrische Mafia am Dienstag mit etwa 170 Haftbefehlen ist auch der Stuttgarter Wirt Mario L. in Italien verhaftet worden. Mario L. hatte einst in den 90er Jahren den ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger in Bedrängnis gebracht. Nun wird ihm vorgeworfen, ein Mitglied der Mafiaorganisation ‘Ndrangheta und des Clans Farao-Marincola zu sein.

Die Erpressungen des ’Ndrangheta-Clans habe unter anderem Mario L. mithilfe einer Vereinigung von Gastronomen aus dem kalabrischen Dorf Mandatoriccio umgesetzt. „Der Verein Armig e. V führte durch Mario L. und (einen weiteren Verdächtigen) die Erpressungen durch“, sagte der italienische Staatsanwalt Vincenzo Luberto. Die Vereinigung Armig beliefert Gastronomen unter anderem in Baden-Württemberg und Hessen. Zwei Ermittler bezeichneten gegenüber dem Rechercheteam von Correctiv Mario L. als „die Nummer eins der ‘Ndrangheta in Süddeutschland“. Aus Justizunterlagen, die Correctiv einsehen konnte, lässt sich die Vergangenheit von L. ein Stück weit rekonstruieren. In seinem Umfeld sollen sich immer wieder Menschen mit Beziehungen zur kalabrischen Mafia ‘Ndrangheta bewegt haben. Sogar Bosse habe man bei ihm gesichtet. Bislang schaffte es Mario L., aus Ermittlungen unbescholten herauszukommen. Am Dienstag durchsuchten Ermittler seine Wohnung sowie das Restaurant, das er in Winnenden nahe Stuttgart gepachtet hat.

Auch der CDU-Politiker Günther Oettinger geriet ins Visier der Fahnder

Mario L. fiel deutschen Kriminalbeamten bereits in den 1990ern-Jahren auf. Damals ermittelten italienische Behörden wegen internationalen Drogenhandels gegen den Farao-Clan. Ermittler verdächtigten Mario L. damals, für hochrangige Mitglieder des Farao-Clans aktiv gewesen zu sein. Die Ermittlungen wurden mangels Tatverdacht eingestellt. Im Zuge dieser Ermittlungen geriet damals auch der baden-württembergische CDU-Politiker Günther Oettinger ins Visier der Fahnder. Der spätere Ministerpräsident von Baden-Württemberg und heutige EU-Kommissar in Brüssel besuchte in den 90er Jahren oft das Stuttgarter Restaurant von Mario L. Für die CDU-Landtagsfraktion organisierte Mario L. auch „kalabresische Abende“.

In aus dem Restaurant von L. geführten Telefonaten war auch Oettingers Stimme zu hören, aber die Gespräche gaben keinen Anlass für Ermittlungen gegen den Politiker. Teile der Aufzeichnungen wurden vernichtet. Der damalige Landesjustizminister Thomas Schäuble hatte Parteikollege Oettinger unter vier Augen informiert, dass sein Name bei Abhörmaßnahmen in Zusammenhang mit Mafiaermittlungen aufgetaucht sei. Ein späterer Untersuchungsausschuss im Stuttgarter Landtag kam zum Ergebnis, dass Schäubles Verhalten rechtens gewesen sei. Er habe verhindert, dass Oettinger von der Mafia instrumentalisiert wurde. Günther Oettinger betont seitdem, keinen Kontakt mehr zu Mario L. zu haben.

Den Wahlbetrug im italienischen Senat soll Mario L. mitorganisiert haben

Auch italienische Ermittler gingen im Rahmen von Ermittlungen gegen den Farao-Clan gegen Mario L. vor: In den 90er Jahren forderte ein Richter sechs Jahre Haft für Mario L. wegen Geldwäsche und Mitgliedschaft in einer mafiösen Vereinigung. Doch das Berufungsgericht Cosenza sprach ihn 1999 frei. Der dortige Richter hielt es zwar für erwiesen, dass Mario L. illegale Beziehungen zur Führung des Clans unterhielt. Allerdings fehlte der Beweis, dass „der Angeklagte mithilfe eines Rituals in die kriminelle Vereinigung aufgenommen wurde“.

Im Jahr 2010 tauchte Mario L. wieder in Ermittlungsakten auf. Die Staatsanwaltschaft Rom ermittelte gegen den Politiker Nicola Di Girolamo, der unter Verdacht stand, mithilfe eines Wahlbetrugs in den Senat gelangt zu sein. Ein Clan der kalabrischen Mafia hatte in deutschen Städten Blanko-Wahlzettel der dort lebenden Italiener gesammelt und zu Girolamos Vorteil ausgefüllt.

Einer der Männer ließ in abgehörten Telefonaten keinen Zweifel, wo der Wahlerfolg gefeiert werden sollte: in Stuttgart. Denn dort besitze ein Mann, der ihnen von einer Vertrauensperson geschickt wurde, viele Restaurants. Italienische Ermittler gingen davon aus, dass es sich um Mario L. handelte.