So sehen Sieger aus Foto: dpa

Der imposante Sieg in den Niederlanden verschafft der Nationalelf, was sie schon lange nicht mehr hatte und für den Umbruch dringend braucht. Es gibt aber auch Verlierer.

Amsterdam - Der Bundestrainer lässt sich partout nicht aus der Reserve locken. Zweimal schon hat er die Bitte um einen Einblick in sein Seelenleben so routiniert wie ausweichend beantwortet, als ein Reporter zu einem letzten verzweifelten Vorstoß ansetzt: „Aber Herr Löw, Sie müssen doch glücklich sein?!“ Joachim Löw lächelt milde und wiederholt noch einmal: „Ich bin im Innern schon auch zufrieden.“

Auch in seinem 13. Jahr als Bundestrainer ist Joachim Löw kein Mann geworden, der seine Gefühle zur Schau trägt. Nicht in der Niederlage und auch nicht im Sieg – auch wenn es ein so fundamental wichtiger ist wie das 3:2 (2:0) zum Auftakt der EM-Qualifikation in den Niederlanden.

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Der Auftritt gegen den Erzrivalen war nach den vielen Diskussionen der vergangenen Wochen nicht nur der ersehnte Befreiungsschlag für den Bundestrainer. Womöglich war er auch so etwas wie ein Erweckungserlebnis für seine junge, sich im Umbruch befindende Mannschaft. In jedem Falle nährt das Spiel in vielerlei Hinsicht die Hoffnung darauf, dass es für die deutsche Fußball-Nationalelf nach düsteren Monaten von nun an wieder aufwärts gehen könnte.

Die neue Stimmung

Joachim Löw ging ein erhebliches Risiko ein, als er das Weltmeister-Trio des FC Bayern im Eilverfahren in den Ruhestand versetzte. Was wäre wohl gewesen, hätten die Münchner neulich in der Champions League den FC Liverpool ausgeschaltet und die DFB-Auswahl ohne Jerome Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller anschließend in den Niederlanden verloren, so wie beim 0:3 im vergangenen Oktober? Beides waren keine völlig undenkbaren Szenarien.

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Dass es genau andersherum gekommen ist, verschafft Löw und seiner Mannschaft das, was sie schon lange nicht mehr hatten und jetzt vielleicht am nötigsten brauchen: Ruhe. Der Sieg erspart der DFB-Auswahl weitere spitze Bemerkungen aus München, vorerst abgehakt sind die Diskussionen über die radikalen Maßnahmen des Bundestrainers und die Frage, ob es wirklich mit so wenig Erfahrung funktionieren kann. Es kann, wie sich in Amsterdam gezeigt hat, auch wenn es nicht mehr als ein Anfang war. „Der Sieg in dieser Drucksituation ist hilfreich für den Glauben innerhalb der Mannschaft“, sagt Löw, „er hilft uns für die nächsten Wochen und Monate.“

Der neue Teamgeist

Man kann sich leicht vorstellen, wie die deutsche Mannschaft vor dem Anpfiff in ihrer Kabine saß und sich eingeschworen hat. Von den aussortierten Weltmeistern wird die Rede gewesen sein, die zu Hause vor dem Fernseher sitzen und nur darauf warten, dass es ohne sie schief geht. „Wir wollten unbedingt zeigen, zu was wir in der Lage sind“, sagt Mittelfeldspieler Joshua Kimmich, so etwas wie der neue emotionale Anführer der deutschen Mannschaft.

Dieser Geist übertrug sich aufs Spielfeld. Seit langer Zeit hatte man keine DFB-Elf mehr gesehen, die derart geschlossen auftritt und füreinander kämpft. Jeder gewonnene Zweikampf wurde von den Mitspielern beklatscht, jeder Fehlpass von Aufmunterung begleitet. Selbst Toni Kroos, normalerweise kein Mann für die Schmutzarbeit, grätschte und köpfte ohne Rücksicht auf Verluste – bis zum umjubelten Happy End durch den Siegtreffer von Nico Schulz. „Das 3:2 ist für uns noch wertvoller, als es ein 3:0 gewesen wäre“, sagt Kimmich: „Das Emotionale ist jetzt größer. Dass wir es am Ende gewinnen, ist für uns extrem wichtig.“

Das neue Personal

Ein Mysterium dürfte es im Rückblick auf alle Zeiten bleiben, dass Joachim Löw kurz vor der WM auf die Idee kam, Leroy Sané zu Hause zu lassen. Die zweite Halbzeit gegen Serbien (1:1) und das Spiel in den Niederlanden haben ihm gereicht, um zum neuen deutschen Fußball-Liebling zu werden. Wie sein Nebenmann Serge Gnabry verkörpert der Stürmer von Manchester City genau das, was in der Nationalelf vermisst wurde: Spielfreude, Tempo, Torgefahr, Überraschungsaktionen. Ein reines Vergnügen war es, den beiden dabei zuzuschauen, wie sie die niederländische Abwehr auseinander nahmen.

In der Abwehr besteht Anlass zur Hoffnung, dass das Ende der Ära Boateng/Hummels nicht das Ende deutscher Defensivstärke bedeutet. Auf eine Dreierkette setzte Löw in den Niederlanden, mit drei Innenverteidiger, die große Fortschritte gemacht haben: Antonio Rüdiger ist ruhiger am Ball geworden und hat sein Temperament gezügelt. Matthias Ginter profitiert von seiner Führungsrolle in Gladbach und tritt mit gewachsenem Selbstvertrauen auf. Und Niklas Süle hat zwar fußballerisch noch Luft nach oben, ist im Zweikampf aber Riese. „Ich habe den Dreien vor dem Spiel gesagt, sie sollen aufeinander achten und sich gegenseitig pushen“, berichtet Bundestrainer Löw, „das haben sie wahnsinnig gut gemacht.“

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