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Ein 26-Jähriger war vor einem Jahr wegen Brandstiftung und Mordversuchs verurteilt worden. Doch der Bundesgerichtshof wies einen Teil des Urteils zurück – mit weitreichenden Folgen.

Stuttgart/Hemmingen - War es ein Mordversuch oder nicht? Hatte der Angeklagte bewusst in Kauf genommen, mit seiner eingestandenen Brandlegung zwei Menschen in Gefahr gebracht zu haben? Das sind die Kernfragen, um die es in einem Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht geht. Angeklagt ist ein 26 Jahre alter Mann aus Syrien. Er war vor zwei Jahren als Flüchtling in Hemmingen untergebracht, und er soll am 3. August 2018 in seiner Unterkunft, dem ehemaligen Gasthaus Schiff, zweimal Feuer gelegt haben.

Beide Taten wurden in einem Prozess am Landgericht Stuttgart verhandelt. Das Urteil im Februar vorigen Jahres lautete auf sechs Jahre Gefängnis, wegen Brandstiftung und Mordversuchs. Die Verteidigung ging in Revision – und war zum Teil erfolgreich: Das Urteil wegen der zweiten Tat wurde rechtskräftig, doch wegen der ersten muss erneut verhandelt werden.

Stimmen aus der Matratze?

Die Staatsanwaltschaft hatte auf Mordversuch beim ersten Brand plädiert, denn zwei Menschen waren noch im Haus, als das erste Feuer im Erdgeschoss ausbrach – die beiden Männer unternahmen Löschversuche. Der Urteilsgrund, der Angeklagte habe den Tod anderer billigend in Kauf genommen, sei im Urteil nicht ausreichend begründet worden, so der Bundesgerichtshof (BGH). Deshalb verwies das höchste deutsche Gericht einen Teil des Falls zurück ans Stuttgarter Landgericht.

Im ersten Prozess hatte der Angeklagte gestanden und seinen Haschischkonsum eingeräumt. Er habe immer wieder „Stimmen des Teufels“ gehört. Weil diese aus seiner Matratze kamen, habe er diese angezündet. Er sei mit seiner Situation unzufrieden gewesen, habe immer wieder Konflikte mit Mitbewohnern gehabt, die Kurden waren. Deshalb habe er in eine andere Unterkunft umziehen wollen.

Eine Polizeibeamtin hatte den Beschuldigten am Tag nach den Bränden vier Stunden lang vernommen. Danach hatte der Angeklagte zugegeben, eine Serviette oder ein Papiertaschentuch angezündet und aufs Bett gelegt zu haben. Dann sei er weggegangen und mit dem Bus zu einer Sprachschule nach Ludwigsburg gefahren. Wenige Stunden später brannte es in der Unterkunft zum zweiten Mal.

Nach seiner Rückkehr zwei Stunden später geriet der Mann als Tatverdächtiger ins Visier der Polizei. Er gestand die erste Brandlegung und beschuldigte wegen des zweiten Brandes zwei Mitbewohner – ebenso wie vor dem Haftrichter. „Ich wollte meine Verlegung bezwecken, nicht andere Personen schädigen“, hatte er bei der Polizei sinngemäß gesagt. Wegen der zweiten Tat wurde der Syrer aber im ersten Verfahren verurteilt, und diesen Bestandteil des Urteils hatte der BGH auch anerkannt.

Zeugen unternahmen Löschversuche

Am zweiten Tag des erneuten Prozesses schilderte ein Brandgutachter den Ablauf nach der ersten Brandstiftung. Ein Hausbewohner habe sich kurz nach 14.30 Uhr in seinem Zimmer neben dem „Brandzimmer“ aufgehalten, Rauch aus dem Nachbarzimmer wahrgenommen und einen zweiten Mann in der Küche darauf aufmerksam gemacht, der sich dort gerade eine Mahlzeit zubereitete. Beide hätten dann die Türe zum „Brandzimmer“ eingeschlagen, seien mitten im Rauch gestanden und hätten versucht, der Flammen mit zwei Feuerlöschern Herr zu werden.

Als dies nicht gelang, alarmierten die Helfer die Feuerwehr. Einer der Männer habe gar noch an die Türen der Zimmer im ersten Stock geklopft. Beide hätten während ihrer Löschversuche gefährlichen Brandrauch eingeatmet, zumindest einer der beiden klagte später über Atembeschwerden. Gefahr habe für beide bestanden, so der Brand- und Feuerexperte, sie hätten aber jederzeit rausgehen können. Der Prozess wird am 18. Februar fortgesetzt.

Angeklagter hatte schon mal mit Feuer zu tun

Das ehemalige Gasthaus Schiff, das die Gemeinde vor einigen Jahren gekauft hatte, musste nach den beiden Bränden renoviert werden. Nach Angaben des Bürgermeisters Thomas Schäfer (CDU) ist ein Schaden von 40 000 Euro entstanden. Die Versicherung habe den Schaden bezahlt. Er rechne damit, dass die Versicherung den Angeklagten haftbar mache.

Der Brand im „Schiff“ war nicht das erste Feuer, mit dem der 26-Jährige zu tun hatte: Im Mai 2018 hatte er in einer anderen Unterkunft in Hemmingen gewohnt, als dort in seinem Zimmer ein Feuer ausbrach. Da wurde er nicht als Brandstifter beschuldigt, die Ermittler gingen von einer technischen Fehler aus. Das Haus war vorübergehend unbewohnbar.