Der geflügelte Totenkopf bleibt erlaubt Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Nachdem ihre Kutten verboten wurden, haben sich die Rocker Justizexperten ins Haus geholt. Und waren erfolgreich. Der Bundesgerichtshof hat das Gesetz gekippt und die Behörden bloßgestellt. Die Stuttgarter Hells Angels wollen sich nun gern mit dem Innenminister an den Tisch setzen.

Stuttgart - Hells Angels und Bandidos verlassen den Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe gemeinsam als Sieger. Normalerweise begegnen sich die beiden Rockergruppen als Rivalen im Gerichtssaal – als sie sich in der Vergangenheit bekriegt hatten. Doch nicht so am Donnerstagvormittag: Da hat der BGH das bundesweite Kuttenverbot der Rocker für rechtswidrig erklärt. In ihrem „Kampf gegen die Rockerkriminalität“, den die Behörden 2010 in ihren Grundzügen auf einem Strategiepapier festhielten, haben sie einen herben Rückschlag hinnehmen müssen. Die Rocker jubeln – und sehen sich durch das Urteil in ihrer Selbstwahrnehmung bestätigt, zwar eine wilde Subkultur, aber keine Berufskriminellen zu sein.

„Der Selbsttäuschung der Innenminister, der Hoffnung mit Stimmungsmache, mit Kriminalisierung und Diskriminierung politisch punkten zu können, wurde eine unmissverständliche Absage erteilt“, sagt Lutz Schelhorn. Der Rockerchef der Stuttgarter Hells Angels sieht damit eine neue Zeit für die Rockerkultur angebrochen. „Ich hoffe, dass die großen Clubs in dieser Sache zusammenarbeiten und in juristischen Fragen der Politik gemeinsam die Stirn bieten“, sagt er. Außerdem will er die Chance nutzen, mit Innenminister Reinhold Gall (SPD), der das Kuttentragen in Baden-Württemberg verboten hatte, das Gespräch zu suchen. „Wir wären gerne bereit, mit Herrn Gall über unsere Zukunft zu reden“, sagt Schelhorn.

Gall will alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen

Darauf braucht der Rockerpräsident wohl kaum zu hoffen. „Wir schöpfen weiterhin in Baden-Württemberg alle rechtlichen Möglichkeiten beim Vorgehen gegen Rockergruppierungen aus“, bezieht Gall zu dem Urteil Stellung und will damit nicht von dem Strategiepapier abweichen, das auf 64 Seiten unverblümt von der Zerschlagung der Rockerkultur spricht. Nach rechtlicher Prüfung des BGH-Urteils will er gegebenenfalls eine Veränderung des Vereinsrechts anstreben und die Kuttenträger in einem zweiten Anlauf entblößen.

In der Urteilsbegründung zum Kuttenverbot heißt es, dass bei den dreiteiligen Rocker-Emblemen nur dann ein Abzeichen verboten werden kann, wenn die Ortsgruppe verboten ist und das Logo den Namen der verbotenen Gruppe nennt. Das heißt: Kutten der als kriminelle Vereinigung verbotenen Vereine wie Pforzheim bleiben verboten, Kutten von erlaubten Chaptern wie Stuttgart sind wieder erlaubt.

Damit fällt den Stuttgarter Hells Angels ein Stein vom Herzen. Denn an das Kuttenverbot hatten sie sich sowieso nicht mehr gehalten, nachdem das Innenministerium den Polizeibehörden die Weisung erteilt hatte, die Rocker in Ruhe zu lassen, bis die Rechtslage endgültig geklärt sei. Die Polizei hat die Verstöße allerdings dokumentiert – und für das Tragen verbotener Abzeichen winken empfindliche Geld-, oder sogar Freiheitsstrafen.