Das Kunstwerk „Love is in the Bin“ des britischen Street-Art-Künstlers Banksy sorgte für einen regelrechten Besucheransturm in der Stuttgarter Staatsgalerie. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Rund 3,07 Millionen Besucher haben die Stuttgarter Museen 2019 gezählt. Den Rekord hält die Staatsgalerie mit einer Zunahme von 47 Prozent auf 295 141 Gäste. Weniger gut lief das Jahr für das Kunstmuseum.

Stuttgart - Warteschlangen an der Kasse, immer wieder die Frage der Besucher an das Aufsichtspersonal: „Wo hängt es denn?“, und dann Gedränge vor dem Bild hinter Glas. Mit der Präsentation des Bildes des geheimnisvollen und bis heute unbekannten britischen Street-Art-Künstlers Banksy landete die Stuttgarter Staatsgalerie 2019 einen veritablen Coup. Alle wollten „Girl with Balloon“ (Mädchen mit Ballon) sehen, aus dem im Oktober 2018 „Love is in the Bin“ (Die Liebe ist im Eimer) geworden war. Damals war das Bild bei seiner Versteigerung im Londoner Auktionshaus Sotheby’s durch einen eingebauten Mechanismus geschreddert worden.

Von März letzten Jahres bis zum 2. Februar 2020 war das Bild in Stuttgart zu sehen und hat der Staatsgalerie zu neuem Höhenflug verholfen. Denn noch 2018 hatte das Museum mit einem besorgniserregenden Besucherrückgang zu kämpfen. „Von den 181 000 Besuchern allein in der Sammlung schreiben wir 90 000 Banksy zu“, sagt Pressereferentin Charlotte Mischler. Insgesamt stieg die Besucherzahl im Museum von 199 827 (2018) auf ganze 295 141 (2019). Zum Rekord habe auch die Tiepolo-Ausstellung beigetragen. Für beide Publikumsmagneten habe man die Öffnungszeit zum Ende hin von 10 bis 22 Uhr erweitert. Mit überwältigender Resonanz: „Die Besucher standen teilweise bis auf die Terrasse, und vor dem Banksy-Bild mussten sie bis zu 45 Minuten warten“, so Mischler.

Ureinwohner und Saurier als Magnet

Das Stadtpalais, im vergangenen Jahr mit 230 000 Besuchern gestartet, meldet eine Steigerung auf fast 260 000. „Passanten, die den Weg durch das Gebäude als Abkürzung nutzen, sind dabei nicht mitgezählt“, versichert Mitarbeiterin Edith Neumann. Für die beeindruckende Resonanz sorgten neben der stets gut besuchten Dauerausstellung auch Sonderausstellungen wie die über die Fantastischen Vier oder über den Stuttgarter Architekten Richard Herre. Nicht zu vergessen das Stadtlabor für Kinder mit der Kinderbaustelle im Untergeschoss und den Angeboten im Garten.

Im Linden-Museum schreibt man den An-stieg der Besucherzahlen von 51 492 auf 71 327 vor allem der Azteken-Ausstellung zu, die zwar erst im Oktober eröffnet hat, aber schon bis Jahresende allein 32 777 Bewunderer der Ureinwohner Mexikos und ihrer Kultur anlockte.

Urtümliches bescherte auch dem Naturkundemuseum Erfolg: Die große Landesausstellung „Leben im Bernsteinwald“ im Haus im Rosensteinpark und der erfolgreiche Start der Sonderausstellung „Riesig im Meer“ im Schloss Rosenstein ließen die Besucherzahlen von rund 225 000 auf 247 736 steigen. Die Ausstellung über große Lebewesen in den Ozeanen und über Fischsaurier ist noch bis 14. Juni zu sehen.

Wenig Grund zur Ekstase im Kunstmuseum

Die Ekstase hat offenbar nicht genug Besucher gepackt: Trotz der gleichnamigen Ausstellung mit Kunstwerken über den Zustand des Außer-sich-Seins (September 2018 bis Februar 2019) und anderen hochattraktiven und überraschenden Ausstellungen wie Ragnar Kjartanssons „Scheize – Liebe – Sehnsucht“ oder „Vertigo“ musste das Kunstmuseum eine Einbuße von 223 700 auf 180 400 Besucher hinnehmen. Laut Isabel Kucher von der Kommunikation war der Zuwachs im vergangenen Jahr von stolzen 49,5 Prozent vor allem der Schau „Reinhold Nägele, Chronist der Moderne“ zu verdanken. „Vertigo“, die Geschichte des Schwindels, ist noch bis zum 19. April zu sehen. Als Stichworte für das Museumsjahr 2020 nennt Kucher die Themen Kunstmuseum Stuttgart im Nationalsozialismus (bis 1. Juni), Wände (16. Mai bis 11. Oktober) und 50 Jahre Sammlung LBBW (7. November bis 21. Februar 2021).

Dass ins Alte Schloss mit 201 578 Besuchern rund 37 000 weniger als im Vorjahr kamen, kann die ehemalige Direktorin Cornelia Ewigleben trotzdem als Erfolg werten. Denn wegen umfassender Bauarbeiten war einzig die Schausammlung zugänglich. Allerdings bei freiem Eintritt, was verstärkt Touristen aus dem europäischen Ausland, aber auch aus China, Russland und den USA wahrnahmen. In den Genuss des freien Eintritts kommen Besucher auch noch in diesem Jahr, denn die Neugestaltung des Museumsfoyers wird erst 2021 beendet sein.

Auch die Kleinen verzeichnen Zuwachs

Multipräsent ist das Haus der Geschichte, das mit seinen zehn Zweigstellen im ganzen Land fast 180 000 Besucher anziehen konnte. Der leichte Rückgang im Stuttgarter Stammhaus mit 71 500 wird als übliche Schwankung beurteilt.

Bemerkenswert sind die 36 200 Besucher im Hotel Silber. Der Lehr- und Lernort zu Polizei, Gestapo und Verfolgung wurde erst Ende 2018 eröffnet und registrierte allein im ersten Monat schon rund 8000 Interessierte. „Für 2020 sind wir sehr optimistisch“, sagt Paula Lutum-Lenger, Direktorin des Hauses der Geschichte, zu dem auch das Hotel Silber zählt. Die Ausstellung „Hut ab“, die noch bis zum 2. August im Haus der Geschichte zu sehen ist, habe einen sehr vielversprechenden Start gehabt. Und im Sommer werde der Museumsbereich Wissenschaft mit außergewöhnlichen Objekten wiedereröffnet.

Nichts übertrifft die schwindelerregenden Besucherzahlen im Mercedes-Benz-Museum mit 850 954 (2018: 834 121) und im Porsche-Museum mit 447 271 (2018: 441 807). „Damit war 2019 das drittbeste Jahr seit der Eröffnung des Museums im Jahr 2006“, sagt Leiterin Monja Büdke, die im Juli den zehnmillionsten Gast begrüßen konnte.

Wo sich die Zahlen in viel kleineren Dimensionen bewegen, ist die Freude über eine Steigerung nicht weniger groß: Wie im Weinbaumuseum Uhlbach, in dem 17 115 Besucher, rund 400 mehr als im Vorjahr, Weinbaugeschichte erlebten und das vollmundige Ergebnis der Mühen im Wengert verkosteten. Vielleicht haben mehr Besucher als früher dann auch noch den Weg hinauf zur Grabkapelle am Rotenberg geschafft. Denn das Zeugnis ewiger Liebe lockte 47 272 Besucher an und damit fast 4000 mehr als im Vorjahr. Anlass für viele Besucher war sicher auch der 200. Todestag von Königin Katharina.