In diesem Jahr sind in der Einzelwertung neben den Streichern unter anderem die Percussion-Spieler an die Reihe gekommen. Foto: Horst Rudel

Beim Regionalentscheid von Jugend musiziert nehmen in manchen Landkreisen 50  Prozent weniger junge Musiker teil. Ein möglicher Grund ist das Abitur in acht Jahren – die Kids haben weniger Freizeit.

Murrhardt - Almas Finger fliegen über das Griffbrett ihrer Violine. Flüssiges Legato-Spiel wechselt mit rhythmisch vertrackten Passagen – das Stück von Charles-Auguste Beriot verlangt der 13-Jährigen einiges ab. Und die Zuhörer sind kritisch, vor allem drei Herren ganz vorne, die sich sofort notieren, wenn das Spiel besonders gut oder eben nicht hundertprozentig gelingt. Nach einer Viertelstunde ist es geschafft, vor dem Saal gibt es eine Umarmung von Almas Mutter, die ihre Tochter auf dem Klavier begleitet hat: „Ganz toll gemacht!“ Dann bleibt den beiden nur abzuwarten, ob die Juroren des Regionalwettbewerbs Jugend Musiziert das auch so sehen. Talent ist der 13-Jährigen jedenfalls in die Wiege gelegt: Ihre Mutter Aleksandra Lustig singt beim SWR-Vokalensemble, ihr Vater spielt Bratsche im Radio-Sinfonieorchester Stuttgart.

G8-Abi ein möglicher Grund für Teilnehmerschwund

Rund ein Viertel der Jugendlichen in Deutschland spielt ein Musikinstrument. Dieser Anteil ist in den vergangenen Jahren recht konstant geblieben. Doch die Macher des traditionsreichen Wettbewerbs Jugend Musiziert plagen Nachwuchssorgen: „In manchen Regionen in Baden-Württemberg gibt es 50 Prozent weniger Teilnehmer“, sagt Judith-Maria Matti, die den Wettbewerb für die Musikschule Schwäbischer Wald/Limpurger Land koordiniert. Sie glaubt, das Abitur in acht Jahren (G8) könnte ein Grund dafür sein: „Für die Teilnahme am Wettbewerb muss man viel Freizeit opfern.“ Und die sei durch G8 deutlich weniger geworden. In den Landkreisen Rems-Murr, Esslingen und Göppingen, die am Wochenende in Murrhardt vorgespielt haben, sind die Teilnehmerzahlen aber einigermaßen stabil geblieben. Fast 300 Kinder und Jugendliche treten an. „Wir haben ein großes Einzugsgebiet und mehrere leistungsstarke Musikschulen“, sagt Matti auf die Frage nach den Gründen.

Den Regionalwettbewerb an sechs Spielstätten in Murrhardt auszutragen, ist ein großer logistischer Aufwand. Im Foyer der Festhalle stapeln sich Percussion-Instrumente, die Teilnehmer brauchen Essen sowie Räume zum Einspielen. Monatelang haben die Nachwuchsmusiker für ihre Auftritte geübt, Lehrer wie Michael Aures von der Musikschule Fellbach haben kostenlose Sonderschichten eingelegt. Er vermutet: „Es ist heutzutage nicht mehr wirklich cool, ein Instrument zu spielen.“ Angesagt seien stattdessen digitale Medien und Spielkonsolen. „Dagegen kann man aber wohl nichts tun. Man kann niemanden zu etwas zwingen, die Motivation muss von den Schülern selbst kommen“, sagt Aures.

Für fast jeden gibt es einen Preis

Zumindest bei seinem Schützling Jens Hilke ist diese vorhanden. Der 14-Jährige trommelt und spielt sich durch 16 Minuten Programm und freut sich am Ende über 24 von 25 möglichen Punkten. Damit fährt er im März nach Herrenberg zum Landeswettbewerb.

Alma Lustig bekommt nicht ganz so viele Punkte – aber immerhin einen zweiten Preis. „Wir möchten die Arbeit und den Eifer der Teilnehmer belohnen“, betont Judith-Maria Matti. Sie hält den Wettbewerb nach wie vor für wichtig: „Es motiviert die Schüler unheimlich, sich auf so einen Auftritt vorzubereiten.“ Matti hofft, dass die Musik, besonders die klassische, auch in Zeiten vollgestopfter Lehrpläne weiterhin eine Rolle im Leben möglichst vieler junger Menschen spielen wird. Denn: „Musik ist ästhetische Bildung , sie fördert die emotionale Intelligenz.“

Dennoch müssen auch die Macher des Wettbewerbs mit der Zeit gehen. Zum Beispiel mit der Sparte Popgesang, die es seit einigen Jahren gibt. Vielleicht zieht Ed Sheeran musikalische Nachwuchstalente ja eher an als Robert Schumann.