Heringe m Netz: das MSC-Siegel soll sicher stellen, dass die Fische nachhaltig gefangen wurden. Foto: dpa

Das MSC-Siegel gibt zwar Anlass zur Kritik, die Stiftung Warentest hält das Label trotzdem für sinnvoll.

Stuttgart - Der Aussage der Stiftung Warentest dürften viele Naturschützer zustimmen: „Es ist gut, dass es den MSC gibt.“ Hinter diesem Kürzel verbirgt sich die in London ansässige gemeinnützige Organisation Marine Stewardship Council. Sie ist 1997 angetreten, um die weltweite Fischernte zukunftsfähiger zu machen. Der MSC vergibt das inzwischen weithin bekannte blaue Siegel, das für eine zertifizierte nachhaltige Fischerei steht.

Wie die Stiftung Warentest berichtet, findet sich das Logo in Deutschland mittlerweile auf „rund 3300 wild gefangenen Produkten: von Alaska-Seelachs bis Zander, von Austern bis Venusmuscheln, von Eismeergarnelen bis Hummer“. Insgesamt seien nun zwölf Prozent des weltweiten Fischfangs zertifiziert, berichtet der MSC. Die Organisation wertet dies als „Erfolgsgeschichte“, räumt aber auch ein, dass man immer noch weit davon entfernt sei, „auf globaler Ebene einen spürbaren Fußabdruck zu hinterlassen.“

Heftige Kritik

Aber wie gut ist das MSC-Siegel wirklich? Die Warentester haben es im aktuellen Aprilheft der Zeitschrift „Test“ genauer unter die Lupe genommen. Ein Anlass dafür dürfte gewesen sein, dass sich das MSC in jüngster Zeit heftiger Kritik ausgesetzt sah. Erst im Januar äußerten mehr als 60 internationale Umwelt- und Meeresschutzorganisationen und Experten in einem gemeinsamen Schreiben an den MSC „erhebliche und wachsende Bedenken“ am Zertifizierungsverfahren der Organisation – verbunden mit der Forderung, zügig strengere Regeln zu etablieren. Unter den Absendern finden sich Organisationen wie Greenpeace und die Deutsche Stiftung Meeresschutz.

Auch die Warentester waren bei ihrer jüngsten Überprüfung vom Ansatz des MSC nicht „rundum überzeugt“. So schreiben die Tester: „Zwar müssen Fischereibetriebe viele Nachweise erbringen, um das Siegel zu bekommen. Oftmals reicht es aber, wenn sie bestehende Gesetze zum Schutz der Fischbestände einhalten.“ Enttäuschend sei auch auf der Check zur Rückverfolgbarkeit der zertifizierten Ware verlaufen: „Hier verspricht der MSC mehr, als er in der Stichprobe tatsächlich hielt“, lautete das Urteil.

Überfischte Bestände

Gleichwohl sei es wichtig, dass sich diese Organisation um nachhaltige Fischerei bemüht. „In vielen Meeresregionen wird teils unreguliert gefischt – etwa im Mittelmeer, wo derzeit 93 Prozent aller Bestände als überfischt gelten“, schreibt die Stiftung Warentest. Allerdings habe sich 2017 ein Teil der Anrainerstaaten auf gemeinsame Regeln geeinigt. Die EU möchte zwar bis 2020 die Fischbestände in den europäischen Fanggebieten auf einem Niveau haben, das eine dauerhafte Befischung erlaubt. Doch mit den Kontrollen der Schiffe auf See oder im Hafen hapert es: In der Nordsee betrafen sie laut Warentest 2016 gerade einmal zwei Prozent. MSC-zertifizierte Betriebe müssen sich dagegen jährlich kontrollieren lassen. 2015 fielen dabei 17 von 290 lizensierten Fangbetrieben durch.

In ihrem Schreiben an den MSC kritisierten die Unterzeichner im Januar, dass die Organisation in den vergangenen Jahren umstrittene Fischereibetriebe als nachhaltig zertifiziert habe, obwohl sie „Tausende von verletzlichen und gefährdeten Tieren“ gefangen hätten. Auch nicht nachhaltige Fangmethoden wie die irreversible Zerstörung empfindlicher Biotope am Meeresboden durch MSC-zertifizierte Betriebe werden beklagt.

Bessere Vorsorge gefordert

Problematisch ist, dass die Regeln des MSC Überfischung ausdrücklich zulassen, wie die Stiftung Warentest anmerkt. Die Umweltorganisation Greenpeace weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass 2015 mindestens fünf Bestände über die sicheren biologischen Grenzen hinaus befischt worden seien – und die gefangenen Fische trotzdem das Siegel erhalten hätten. Dazu gehörten Seelachs aus der Nordsee und Wolfsbarsch. „Hier könnte der MSC ein stärkeres Vorsorgeprinzip einführen – die Marktmacht dafür hat er“, so die Tester.

Ihrer Meinung nach wäre gerade bei eher unsicheren Daten über die tatsächliche Größen der Fischbestände – wie es etwa beim Hering der Fall ist – ein Sicherheitspuffer sinnvoll, aber: „Der MSC verzichtet darauf.“ Immerhin folgen die Vorgaben für die zertifizierten Betriebe sowohl den gesetzlichen Fangquoten als auch den Empfehlungen des Internationalen Rats für Meeresforschung, einem Netzwerk von Experten aus 20 Ländern.

Empfehlung für MSC-Siegel

Bei aller Kritik, die den MSC derzeit verstärkt trifft, merken auch die Warentester ausdrücklich an: „Andere Siegel mit hoher Marktbedeutung für Wildfisch existieren nicht. Wir empfehlen deshalb, Produkte mit MSC-Siegel zu bevorzugen.“ Und es gibt auch ausgesprochen positive Beispiele. So erfüllen sechs Lachsprodukte des Fischereiverbundes Alaska Salmon, welche die Tester geprüft hatten, die MSC-Anforderungen „auf hohem Niveau“. Ein wichtiger Grund hierfür ist auch, dass die Verfassung von Alaska den Wildlachs schützt und es deshalb dort ein gutes Schutzprogramm gibt. Auch russische Wildlachse sind gesetzlich geschützt. Die dortigen Fischereibetriebe „erfüllen die meisten MSC-Auflagen gut“, schreibt die Stiftung Warentest. Allerdings müssten sie teilweise noch nachbessern, sonst drohten Sanktionen.

Als Fazit bleibt, dass man beim Kauf von Fischprodukten auf das blaue MSC-Siegel achten sollte. Darüber hinaus wäre es gut, die Ratschläge von Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace zu berücksichtigen, die zu einer größeren Wertschätzung für Fischprodukte aufrufen. Man sollte dieses Nahrungsmittel – ähnlich wie Fleisch – nicht als Alltagsgericht, sondern vielmehr als Delikatesse betrachten. Zudem besagt der Fischratgeber von Greenpeace, dass man nur Karpfen mit ökologisch völlig reinem Gewissen verspeisen kann – andere Fischarten nicht oder nur, wenn man auf Ausnahmen achtet.

Siegel für Aquakultur und Biofische

ASC
Das türkisfarbene Siegel des Aquaculture Stewardship Council (ASC) gibt es erst seit 2009. Es soll eine verantwortungsvolle Aquakultur auszeichnen, etwa von Tilapia, Pangasius, Lachs, Forellen und Muscheln. Trotz Kritik an dem Siegel ist der WWF, der es mit initiiert hat, von seinem Sinn überzeugt. Klar ist aber auch, dass es kein „Premium“-Label ist wie das Siegel „Naturland Aquakultur“. Dennoch hilft es dem Verbraucher, umweltgerechter produzierte Fischprodukte aus Aquakultur zu kaufen. So müssen sich die Standorte für die jeweils gezüchteten Fische eignen und die Wasserqualität muss stimmen. Zudem dürfen Antibiotika nur für erkrankte Tiere verwendet werden, und das unter tiermedizinischer Überwachung. Das Siegel wird in Deutschland immer beliebter: Derzeit sind knapp 1000 Produkte damit ausgezeichnet.

Biosiegel
Das Naturland-Siegel für Aquakultur schreibt unter anderem vor, dass umliegende Ökosysteme geschützt werden müssen, die Besatzdichten niedrig sind, auf Gentechnik und Hormone verzichtet wird und als Futter nur Fischmehl und Fischöl aus der Verarbeitung von Speisefischen verwendet werden. Das entsprechende Siegel für Wildfisch gibt es auch für nachhaltig gefangene Fische aus dem afrikanischen Viktoriasee und dem Greifswalder Bodden sowie dem Schalsee aus Deutschland. Der Bioland-Verband zertifiziert bisher nur Karpfen, der sich hauptsächlich naturgemäß aus dem Gewässer ernähren soll, in dem er lebt. Das EU-Biosiegel soll garantieren, dass in den so ausgezeichneten Aquakulturen die Artenvielfalt gewahrt wird und Hormone als Laichhilfe verboten sind. Das Futter muss aus ökologischem Anbau kommen, darf aber durch Fischfutter aus nachhaltig betriebener Fischerei ergänzt werden.