Eine 30-Jährige muss sich wegen einer Kindstötung vor dem Landgericht verantworten. Foto: dpa

Die 30-Jährige aus Steinheim, die vor Gericht gestanden hat, ihr neugeborenes Kind getötet zu haben, hat sich vor der Tat nicht nur auf ihre Mutterrolle vorbereitet. Sie pflegte sexuellen Kontakt zu zahlreichen Männern und ließ sich dafür bezahlen.

Steinheim - In welcher seelischen Verfassung war die Mutter, die in der Nacht zum 17.  Februar ihr neugeborenes Kind in der Steinheimer Wohnung erstickte? Auch am dritten Verhandlungstag wich die 30-Jährige den Fragen danach aus. Zwar hatte die Frau am ersten Prozesstag vor dem Landgericht ihre Tat gestanden und dabei Verzweiflung und Angst als Motive für die lange verheimlichte Schwangerschaft genannt. Doch daneben gibt es nun das Bild einer Frau, die, wie am Dienstag ans Tageslicht kam, offenbar nebenberuflich als Prostituierte arbeitete.

Mit fremden Männern gegen Geld ins Bett gestiegen

Mehrfach wollte der Richter Roland Kleinschroth der 30-Jährigen Gelegenheit geben, etwas über ihre Verstrickungen zu erzählen – vergeblich. Dass sie Männer in die Wohnung holte, um mit ihnen sexuell zu verkehren, blieb dem Vermieter verborgen. „Da war niemand, den ich noch nicht gesehen hätte“, sagte der Mitbewohner, dessen Schichtzeiten der 30-Jährigen zupasskamen, um ihr Nebengewerbe zu betreiben, während ihr 47-jähriger Lebensgefährte ebenfalls arbeiten gegangen war.

Erst die Aussage der Kommissarin, die das Smartphone der Mutter überprüfen ließ, brachte Aufschlüsse über die Dimension der Männerbekanntschaften. Offenbar hatte die Angeklagte selbst mit den Begriffen „Sex gegen Taschengeld“ im Internet nach Verdienstmöglichkeiten gesucht. Ein Mann leitete sie an, eine Kleinanzeige auf einer Internetplattform zu schalten.

Fotos in aufreizender Wäsche

„Die SMS und E-Mails deuten darauf hin, dass es zu Geschlechtsverkehr kommen soll“, sagte die Polizistin. Mehrere Männervornamen seien gefallen. Die werdende Mutter habe Bilder von sich in aufreizender Wäsche verschickt und Videos, worin sie sexuell aktiv gewesen sei. In einer Nachricht habe sie einem Kunden beschrieben, wo er klingeln müsse.

Der Richter stellte klar: „Uns geht es nicht um eine moralische Bewertung.“ Es sei aber wichtig, die psychische Verfassung einschätzen zu können. Kleinschroth äußerte sich überrascht, wie widersprüchlich die Persönlichkeit erscheine: auf der einen Seite die fürsorgliche Mutter – dann die andere Seite, welche die 30-Jährige auch ihrem Partner vorenthielt. „Man hat das Gefühl, dass hier zwei verschiedene Personen sitzen“, sagte Kleinschroth.

„Mittelgradig depressive Episode“

Ob sich die von ihr selbst angeführte Depressivität bis in die Tatnacht so stark auswirkte, dass ihre Handlungsfähigkeit eingeschränkt war, ist die Frage, die bei den Plädoyers am Donnerstag eine wichtige Rolle spielen wird. Normalerweise sieht das Strafgesetzbuch für Totschlag eine Haftstrafe von fünf bis 15 Jahren vor, bei eingeschränkter Handlungsfähigkeit sind es ein bis zehn Jahre. Der psychiatrische Sachverständige geht von einer „mittelgradigen depressiven Episode“ aus. Doch könne man nicht auf ihren Zustand während der Tat rückschließen.

Kerngesund sei das Baby gewesen, berichtete der Rechtsmediziner, der den 50 Zentimeter kleinen Leichnam obduziert hat. Das Kind habe geatmet und damit gelebt, sagte er. Verletzungen an der Nase belegten, dass „kräftiger Druck“ ausgeübt worden sei. Die Mutter hatte zugegeben, mit einem Handtuch die Schreie erstickt zu haben, damit niemand im Haus wach wird.