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Seit Mitte Dezember dürfen Projektgegner nicht mehr vor dem Hauptbahnhof gegen Stuttgart 21 protestieren. Doch die meisten halten sich nicht daran. Jetzt suchen Stadt und Polizei Lösungen.

Stuttgart - Die wichtigste Nachricht für alle Anhänger und Gegner der Montagsdemonstrationen vorneweg: Am 6. Januar fällt die allwöchentliche Kundgebung gegen das Projekt Stuttgart 21 wegen des Feiertags aus. Das ist aber auch schon so ziemlich alles, was derzeit sicher ist. Wie, wo und in welcher Form es danach mit den Demos weiter geht, ist derzeit offen. Die Frage beschäftigt Veranstalter und Behörden gleichermaßen – wenngleich aus recht unterschiedlichen Beweggründen.

Für die Organisatoren von der Parkschützer-Initiative geht es in erster Linie darum, den künftigen Ablauf zu klären. Mitte Dezember hat der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung der Stadt bestätigt, die Kundgebungen auf dem Arnulf-Klett-Platz zu verbieten. Die Verkehrsbehinderungen seien zu groß. Das bedeutet, das die Demonstrationen künftig anderswo stattfinden müssen. Die bisher letzte hat mit einem Zug von der Lautenschlagerstraße aus begonnen und auf dem Marktplatz geendet.

Marktplatz als neuer Platz für die Montagsdemo?

„Das wird zumindest im Januar auch noch so bleiben“, sagt Carola Eckstein von den Parkschützern, die die Veranstaltungen bei der Stadt anmeldet. Gleichwohl suche man nach einem Modell für die Zukunft. Zwar halte man das Stauargument nach wie vor für „lächerlich“, müsse jetzt aber entscheiden, wie es nach dem Verbot weiter geht. Denkbar sei, entweder weiter in der Lautenschlagerstraße zu beginnen und zum Rathaus zu ziehen oder aber sich gleich an einem festen Ort mit einer Bühne und Kundgebung zu treffen. Man sammle derzeit Meinungen. Grundsätzlich hält Eckstein den Marktplatz für geeignet: „Angesichts der bevorstehenden Kommunalwahl und des Stadtbahnchaos, das durch Stuttgart 21 droht, ist es nicht verkehrt, zu den Stadträten und zu OB Fritz Kuhn zu kommen.“

Sollte sich tatsächlich der Standort Lautenschlagerstraße etablieren, dürften sich bei den Verantwortlichen von Stadt und Polizei einige Sorgenfalten bilden – obwohl sie den Ort ursprünglich selbst vorgeschlagen hatten. Denn die bisher drei Demonstrationen dort sind nicht so verlaufen, wie man sich das vorgestellt hatte. Ein großer Teil der Teilnehmer hielt sich nicht an das Verbot und nutzte den benachbarten Arnulf-Klett-Platz und die Straßen drum herum. Der Verkehr wurde unerwartet ausgebremst.

Am vergangenen Montag etwa haben sich laut Parkschützern gut 3000, laut Polizei rund 1000 Menschen in der Lautenschlagerstraße versammelt. „150 davon sind auf der vorgesehenen Route zum Marktplatz gezogen, der Rest hat sich über das Versammlungsverbot hinweggesetzt“, sagt Polizeisprecher Olef Petersen. Sie hätten die Strecke über Klett-Platz und Friedrichstraße zur Bolzstraße genommen, manche seien auch zum Rotebühlplatz gezogen. Trotz der Weihnachtsferien habe das erhebliche Staus in der Innenstadt verursacht.

Polizei will Verhältnismäßigkeit wahren

Verhindern lässt sich so etwas kaum. „Die Polizei ist massiv vor Ort, betreibt verstärkt Aufklärung und schreitet bei Auswüchsen ein“, sagt Petersen. Bei extremen Entwicklungen werde man auch die Fahrbahn räumen. Allerdings fahre man insgesamt einen zurückhaltenden Kurs und müsse auch die Verhältnismäßigkeit wahren. Bei einem Zug über nicht dafür vorgesehene Straßen handelt es sich im Normalfall um Ordnungswidrigkeiten der Betroffenen – da wäre ein massives Einschreiten gegen Hunderte oder gar Tausende Menschen kaum zu erklären.

Gleichwohl will die Stadt nicht hinnehmen, dass das Verbot größtenteils wirkungslos bleibt. „Wichtig ist für uns, dass die Beeinträchtigungen erträglich bleiben“, sagt Hermann Karpf, Referent von Ordnungsbürgermeister Martin Schairer. Dazu gehöre auch, dass es im Zweifel Anzeigen gegen einzelne Demonstranten gebe und klar aufgezeigt werde, „wo die Grenze ist“. Es gehe dabei nicht um Politik, sondern „um Recht und Gesetz und den Frieden in dieser Stadt“.

Eine Eskalation will das Ordnungsamt freilich vermeiden. „Wir haben den Organisatoren ein Gespräch angeboten. Wir sind interessiert an einer Lösung, die für alle verträglich ist“, sagt Karpf. Man wolle dabei unterschiedliche Modelle ansprechen und eventuell auch das eine oder andere einfach mal ausprobieren, falls es auf Zustimmung stößt. Dabei müsse man zwingend auch darüber reden, wie man die allwöchentlichen Auswüchse verhindern könne.

Carola Eckstein sieht ihre Einflussmöglichkeiten als begrenzt an: „Wer an der angemeldeten Kundgebung teilnehmen möchte, muss sich an die genehmigte Strecke halten. Aber wir können die Leute nur informieren. Das sind erwachsene Menschen, die für sich selbst entscheiden“, sagt die Organisatorin. Sie selbst habe eine Mitteilung bekommen, dass die Polizei wegen der Verstöße ermittle. „Dem sehe ich aber gelassen entgegen“, sagt sie und ergänzt: „Bei den Kundgebungen vor dem Bahnhof wusste jeder in der Stadt über die Abläufe Bescheid. Das ist jetzt nicht mehr so.“ Deshalb wertet sie das Verbot als „Schildbürgerstreich“ der Verwaltung.