Viele wollen der Armut im Heimatland entfliehen Foto: AP

Mit elf kommt Rose aus Mali nach Europa – Statt Bildung warten Gewalt und Demütigungen.

Bobigny - Jahrelang lang soll das Ehepaar S. Rose als Putzfrau und Kindermädchen missbraucht haben. Zur Strafe gab's eine Geld- und Bewährungsstrafe. Viel zu wenig, kritisieren Menschenrechtler.

Rose wächst in armen Verhältnissen in einem Dorf bei Bamako auf, der Hauptstadt Malis. Ihr Vater ist früh gestorben. Mit elf kommt es zu einer verhängnisvollen Begegnung: Aissata S., die in der Pariser Banlieue lebt und im Rathaus von Seine-Saint-Denis arbeitet, verspricht dem Mädchen das Blaue vom Himmel: Sie aus dem Elend herauszuholen, ihr in Frankreich einen netten Ehemann zu besorgen. Sie müsse dafür lediglich auf ihre vier Jungs aufpassen. Roses Mutter willigt schnell ein, 1997 reist die Tochter mit gefälschten Papieren ins gelobte Land ein. Doch in Frankreich wird sie einen neun Jahre währenden Albtraum erleben: Rose wird versklavt.

"Ich stand jeden Morgen um 7 Uhr auf und ging um 23 Uhr schlafen", wird sie zwölf Jahre später der Strafkammer von Bobigny berichten. "Ich habe geputzt, gebügelt, mich um die Kinder gekümmert, sie zur Schule gebracht, ich habe gekocht und das Auto gewaschen." Sie erzählt von ständiger Erniedrigung und von Drohungen, von Beleidigungen und Gewalt. Und davon, dass sie in einem der kultiviertesten Länder der Welt nie die Schulbank gedrückt hat. Anfangs darf sie noch mit der Familie am Tisch sitzen, dann wird sie in die Küche verbannt. Weil sich die Kinder an ihrem Putzmittelgeruch stören. Wagt sie Widerworte, setzt es Ohrfeigen. "Ich kann mit dir machen, was ich will", soll Aissata S. gesagt haben.

Vehement bestreiten sie und ihr Ehemann Mamadou S. die Vorwürfe. "Wir gingen zusammen aus, wir lachten und kauften zusammen ein", behauptet sie. Doch ein Berufungsgericht verurteilte das Paar jetzt zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe und zur Zahlung von 93.000 Euro Schmerzensgeld. "Ein viel zu mildes Urteil", findet der Anwalt der heute 25-jährigen Rose. Der Staatsanwalt hatte eine mehrjährige Haftstrafe und 300.000 Euro verlangt.

Ins Rollen gebracht wurde der Fall durch das französische Komitee gegen moderne Sklaverei (CCEM) sowie durch SOS Esclave. Organisationen, die schon etliche Skandale aufgedeckt und vor Gericht gebracht haben. Der vorerst spektakulärste endete 2008 mit einer zehn- beziehungsweise 15-jährigen Gefängnisstrafe für den Ex-Fußballprofi von Paris Saint-Germain, Godwin Okpara, und dessen Ehefrau Linda. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die beiden ihre aus Afrika stammende Adoptivtochter Melisa, damals 13, jahrelang vergewaltigt, gefoltert, geknechtet und ebenfalls als Haushaltssklavin gehalten hatten. Erst mit 17 fand das Opfer den Mut, der Barbarei zu entfliehen.

Das Schweigen der Opfer, ihre anscheinend grenzenlose Leidensfähigkeit, das krasse Elend in ihrer Heimat und die Ohnmacht in Frankreich begünstigen die moderne Form der Sklaverei. "Es gibt in Frankreich Hunderte Roses und Melisas", sagt Sophia Lakhdar, Präsidentin des CCEM. Die meisten Opfer kommen demnach aus Südostasien, dem indischen Subkontinent und aus Afrika. Oft treten Familienangehörige der meist minderjährigen Opfer als Vermittler auf. Ebenso gängig: gut situierte Auswanderer, die einen Zweitwohnsitz in ihren Heimatländern haben, schleusen ihr Hauspersonal meist auf illegale Weise nach Europa.