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Geschäft mit Billigmode läuft immer besser. Discounter setzten auf billige Produktion.

Stuttgart - Das Geschäft mit der Billigmode läuft immer besser. Discounter wie Kik und Takko sind auf Expansionskurs. Zu den führenden Anbietern gehören Lebensmittelhändler wie Lidl und Aldi. Eine Sache wird bei den niedrigen Preisen zu gerne verdrängt: die Arbeitsbedingungen der Näherinnen in Asien.

Wenn Jessmin Begun (26) durch Stuttgart läuft, fühlt sie Stolz. Sie ist zum ersten Mal in Deutschland. Die Leute hier tragen die Sorte Kleider, die sie zu Hause näht. Zu Hause - das ist 10000 Kilometer von Stuttgart entfernt in Dhaka, Bangladesch. Manchmal sitzt sie dort von 8 bis 22 Uhr an der Nähmaschine. Selbst wenn sie krank ist. Jessmin näht in einem Betrieb, der den Discounter Lidl beliefert. Das Geschäft mit Jessmins Hemden, Hosen und T-Shirts läuft gut. In keinem anderen europäischen Land sind Klamotten so günstig zu haben wie in Deutschland. Das Geschäftsmodell geht nur auf, solange es genügend Menschen gibt, die die günstigen Kleidungsstücke auch kaufen.

Der Bedarf ist groß - also expandieren die Händler. "Billig zieht an", schreibt das Fachmagazin "Textilwirtschaft". Der deutsche Textilmarkt gilt als der größte in Europa. Der Bundesverband des deutschen Textileinzelhandels (BTE) beziffert das Umsatzvolumen 2009 auf 60 Milliarden Euro. "Rund zwölf Prozent Marktanteil haben die Discounter", sagt Jürgen Dax, Geschäftsführer des BTE.

Darum ist der deutsche Markt hart umkämpft. Aus Irland drängt Primark nach Deutschland. Seit 2009 testet der Discounter, was beim Kunden ankommt. Zwei Filialen gibt es schon - in Bremen und Frankfurt. Am 6. Dezember soll in Gelsenkirchen die dritte Filiale eröffnet werden. Weitere Läden sind offenbar in Saarbrücken und Essen geplant. Noch kennt fast niemand die Marke. Das liegt am Konzept. Das Unternehmen macht wenig Werbung. So will der Discounter die Preise niedrig halten - die Klamotten sind so günstig wie bei Kik, "sehen aber nicht so billig aus", sagt Dax. Der Stil der Kleider erinnert an die Sachen von H&M. Es gibt Wintermäntel für 25 Euro, bei H & M kosten sie mindestens um die 80. Schals gibt für drei Euro.

Wenn Jessmin Begun krank ist, empfindet sie ihre Arbeit als mühsam. Sie macht dann Fehler. Zu Hause bleiben darf sie nicht. 2009 hatte sie drei Tage frei. Meistens arbeitet sie sieben Tage in der Woche. Als sie vor zwei Jahren schwanger war, musste sie oft brechen. Deshalb hat sie einmal zehn Minuten Pause gemacht - während der Arbeitzeit. Wer so was macht, darf keine Überstunden machen, näht also nur von 8 bis 17 Uhr. Ohne Überstunden reicht der Lohn nicht. Jessmin Begun ist alleinerziehend. Im Haushalt lebt noch ihr Bruder. Er verdient wenig, weil er auf einer Seite gelähmt ist. Jessmin bekommt 35 Euro im Monat. Die Miete für ein Zimmer kostet in Dhaka 25 Euro.

Kik mit sieben Prozent Umsatzplus

Der Textildiscounter Kik hat 2009 einen Umsatz von 1,63 Milliarden Euro gemacht. Das sind sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Den Gewinn verrät das Unternehmen nicht. Kik gilt als "expansivster Textilfilialist". Jede Woche kommen neue Läden hinzu. Dieses Jahr verzeichnet das Unternehmen 150 Neueröffnungen in Deutschland. "Im Heimatmarkt plant Kik weitere 500 Filialen", sagt eine Sprecherin.

"Es herrscht ein harter Verdrängungswettbewerb", sagt Jürgen Dax, Geschäftsführer des BTE. Anders als in anderen europäischen Ländern seien Aspekte wie Ambiente der Läden oder Qualität der Kleidung für den Verbraucher nicht so wichtig wie das Billig-Prinzip. "Der Wettbewerb wird über den Preis gemacht", sagt Dax.

Der Verbraucher ist nicht bereit, für fair hergestellte Kleidung einen höheren Preis zu zahlen. Das kam bei einer Untersuchung des Instituts für Handelsforschung (IFH) heraus. "Im Grunde möchte der Kunde ein reines Gewissen beim Einkauf haben, aber im Ergebnis entscheidet er sich für den günstigeren Preis", sagt Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH.

Sozialstandards werden häufig verletzt

Die Sprecher von Lidl, Kik und Primark sagten unserer Zeitung, dass man sich bei der Produktion an diverse Verhaltenskodizes halte und die Arbeitsbedingungen der Näherinnen regelmäßig überprüfe. Für Gisela Burckhardt von der Kampagne für Saubere Kleidung ist das "Schönfärberei". Die Einhaltung der Richtlinien sei freiwillig. "Die Discounter verlangen von den Produzenten vor Ort, dass sie die Sozialstandards einhalten, zahlen aber gleichzeitig nur so wenig, dass die Zulieferer gar nicht anders können, als die Vorgaben der Internationalen Arbeitsorganisation zu brechen." Sie kritisiert, dass die Unternehmen die Namen der Fabriken nicht transparent machen. "Das dürfte kein Problem sein, wenn sie nichts zu verbergen haben."

Jessmin Begun weiß noch nicht, wie es mit ihr weitergeht. Im Moment ist sie mit Gisela Burkhardt unterwegs und erzählt den Trägern ihrer Kleidung, wie sie entstanden ist. Sicher ist nur, dass sie keinen Job mehr hat, wenn sie nach Hause kommt.