Bei der Schmalz GmbH in Glatten werden Vakuumkomponenten und -greifsysteme für die Automation entwickelt. Foto: Schmalz

In Freudenstadt entsteht ein Lehr- und Entwicklungslabor. Das akademische Know-how kommt von der Uni Stuttgart, das unternehmerische Wissen und die Praxis steuern 13 Mittelständler bei. Das Ziel: Führungskräfte auszubilden, die in Schwarzwälder Unternehmen Industrie 4.0 umsetzen.

Stuttgart - Industrie 4.0 dominiert die künftige Produktion. Doch im Raum Freudenstadt fehlen qualifizierte Nachwuchs-Führungskräfte, die die Digitalisierung in der Produktion auch effizient umsetzen können. Das könnte sich schon bald ändern. Denn in Freudenstadt entsteht – in Kooperation mit der Uni Stuttgart – der Campus Schwarzwald. Die Idee dazu hatte Kurt Schmalz, geschäftsführender Gesellschafter der J. Schmalz GmbH in Glatten, einem Hightech-Unternehmen mit 1300 Mitarbeitern und Marktführer in der Automatisierung mit Vakuum: „Wir haben ein Problem, die klugen Köpfe in die Region zu bekommen und dort auch zu halten – große Namen wie Mercedes, Porsche, Siemens oder Bosch saugen alle ab.“ Also habe man sich überlegt: „Wie kriegen wir einen besseren Kontakt zu den Studierenden? Und was müssen wir tun, um sie auch für die Region zu begeistern?“ Nur Masterarbeiten zu vergeben reiche nicht aus. „Wir brauchen hier – auch körperlich – einen Campus.“

In Klaus Fischer, dem Inhaber der Unternehmensgruppe Fischer, fand Schmalz einen überzeugten Mitstreiter. Weitere Mittelständler aus dem Maschinenbau und die Uni Stuttgart konnten für das Vorhaben gewonnen werden, in Freudenstadt einen Uni-Ableger einzurichten, der speziell auf den Bedarf der ortsansässigen Unternehmen zugeschnitten ist – und den Absolventen beste Berufschancen eröffnet. Die IHK Nordschwarzwald, wo Kurt Schmalz Vizepräsident ist, unterstützt das Projekt. Vor anderthalb Jahren wurde der Hochschulcampus Nordschwarzwald e. V. gegründet, wenig später das „Centrum für Digitalisierung, Führung und Nachhaltigkeit Schwarzwald gGmbH“.Mittlerweile haben deren Geschäftsführer Stefan Bogenrieder und der Rektor der Uni Stuttgart, Wolfram Ressel, den Kooperationsvertrag unterzeichnet, die ersten Studierenden für den Schwarzwald-Campus sind im Masterstudiengang Maschinenbau/Technologiemanagement der Uni Stuttgart eingeschrieben, zudem wird ein Spezialisierungsfach zur Digitalisierung und Nachhaltigkeit in der Produktion aufgebaut. 150 Studierende sollen es im Endausbau sein.

Von Mitte 2019 an soll auch in Freudenstadt gelehrt werden

Bis der Campus Schwarzwald auch räumlich Gestalt angenommen hat, finden die Vorlesungen noch in Stuttgart-Vaihingen statt. Bis Mitte 2019 soll das ehemalige EnBW-Gebäude in Freudenstadt umgebaut sein. Auch zwei Neubauten sollen dort entstehen: eine Labor- und eine Kongresshalle sowie Plätze für Start-ups. „Wir haben eine extrem schnelle Glasfaseranbindung über das BelWue-Netz – so könnten dort auch Ausgründungen stattfinden“, sagt Schmalz. Investor für die Bauten ist die Kreissparkasse Freudenstadt, an Ausstattung, Unterhalt und Betrieb beteiligen sich der Landkreis und die Stadt Freudenstadt mit 500 000 Euro. Hinzu kommen 45 Apartments für Studierende und temporäre Mitarbeiter. Hierfür wird noch ein Investor gesucht.

Seit Sommer 2016 habe man 300 Studierende mit den Schwarzwälder Firmen in Kontakt gebracht, berichtet Stefan Bogenrieder, Geschäftsführer des Schwarzwald-Campus. Dabei geht es nicht nur um Werksbesichtigungen und Praktika, sondern es laufen auch schon sechs Masterarbeiten in den Unternehmen. Unirektor Ressel begrüßt den Aufbau des Zentrums. Es biete den Studierenden „die Möglichkeit, Wissenschaft und Praxis auf einmalige Weise miteinander zu verbinden“. Sein Sprecher sieht darin einen Gewinn für beide Seiten: „Die Studierenden erhalten im Hochschulcampus wertvolle Einblicke in die Praxis bei bedeutenden internationalen Unternehmen und kommen in Kontakt mit unternehmerisch erfahrenen Managern.“

13 Schwarzwälder Unternehmen beteiligen sich mit 550 000 Euro im Jahr

Das Labor soll mit Maschinen und Automatisierungseinrichtungen bestückt werden, die Arbeiten in Echtzeit ermöglichen – „auf wissenschaftlichem Niveau, aber praxisnah“, so Schmalz. An Lehre, Forschung und Laborbetrieb beteiligen sich die 13 Firmen mit 550 000 Euro im Jahr. Deren Mitarbeiter profitieren davon durch berufliche Weiterbildung. Auch zwei Stiftungsprofessuren sind geplant – zunächst zur digitalen Transformation in der Produktion, eine zweite Stiftungsprofessur soll sich mit produktionsnachgelagerten Geschäftsmodellen befassen, etwa intelligenter Wartung und Lebenszyklus.

Freudenstadts OB Julian Osswald sieht in der Kooperation „große Chancen für unsere Stadt und die ganze Region“. IHK-Geschäftsführer Martin Keppler zufolge positioniere sich der Schwarzwald damit zum Aushängeschild für die Digitalisierung im Maschinenbau. Allerdings betrübt die Schwarzwälder die fehlende Landesförderung. „Bis jetzt kriegen wir zwar viel Lob, aber kein Geld“, sagt Schmalz.