Hinter Gonzalo Castro liegt ein Jahr zum Vergessen. Foto: Baumann

Mit seinem Kommen waren viele Hoffnungen verbunden. Warum er sie nicht erfüllen konnte, kann sich Gonzalo Castro nicht erklären. Einen klaren Plan für die Rückrunde hat er aber allemal.

La Manga - Auf einem weißen Mountainbike rollt Gonzalo Castro alleine heran. Der Deutschspanier ist einer der ersten Spieler des VfB Stuttgart an diesem sonnigen Dienstagmorgen, der am 1,2 Kilometer vom Teamhotel entfernten Trainingsplatz in La Manga ankommt, sich aus dem fein säuberlich vorbereiteten Sammelsurium von bunten Kickstiefeln sein hellgraues Paar heraussucht und sie gegen seine weißen Sportschuhe tauscht.

Es ist immer wieder zu beobachten, dass der Sommerzugang von Borussia Dortmund etwas für sich alleine unterwegs ist, etwas isoliert wirkt. „Ich bin 31 Jahre alt, da brauche ich auch ein bisschen Zeit für mich“, sagt der gebürtige Wuppertaler. Dass er in seinem Instagram-Profil im vergangenen halben Jahr nur zwei Familienbilder veröffentlicht hat und keine Fotos vom Fußball wie in den Zeiten davor in Dortmund und Leverkusen will er auch nicht überbewertet wissen. „Ich habe mich das letzte Jahr etwas zurückgezogen. Ich bin nicht der, der da jeden Tag Fotos postet, sei es von mir privat oder vom Verein. Das ist selten, das muss passen“, sagt Gonzalo Castro.

Castro hinkt dem eigenen Anspruch hinterher

In der Hinrunde hat nach einem guten persönlichen Start im Pokalspiel bei Hansa Rostock (0:2) mit 122 Ballkontakten und sechs Torschussvorlagen nicht mehr so viel gepasst. Seit der Auftaktniederlage in der Bundesliga beim FSV Mainz 05 (0:1) hat er nie mehr über 90 Minuten gespielt, seit dem achten Spieltag gegen den BVB (0:4) stand er nicht mehr in der Startelf.

Der VfB-Sportvorstand Michael Reschke kennt Gonzalo Castro schon seit dessen Wechsel als Zwölfjähriger zu Bayer Leverkusen im Jahr 1999. Vor kurzem hatte er ein langes Gespräch unter vier Augen mit ihm: „Es ist klar, dass er einen anderen Anspruch hat. Ihm ist auch klar, dass er sich steigern muss“, sagt er.

Der hochgelobte Sommerzugang, mit dem sich große Erwartungen beim VfB verbanden, steht mit im Zentrum des Missmuts, der den abstiegsbedrohten Stuttgartern entgegenschlägt. „Die Kritik ist völlig berechtigt. Wir, oder speziell ich, haben es da nicht hinbekommen, die Kurve zu kriegen“, sagt Gonzalo Castro. „Ich bin keiner, der rumheult und bin da sehr offen.“

Chance zur Wiedergutmachung

Es war daher für ihn auch keine Überlegung die Gesprächsanfrage abzulehnen, wie das vielleicht andere in seiner schwierigen Situation gemacht hätten. Er ist rundum Profi. Der Mann mit den zweitmeisten Einsätzen (370) aller noch aktiven Spieler der Bundesliga nach dem 40-jährigen Bremer Claudio Pizzaro (460) stellt sich. „Ich weiß auch, was ich kann. Ich habe das noch nicht über weite Strecken gezeigt – wie das ganze Team, wir hängen da so ein Stück alle hinterher“, sagt er, betont aber: „Wir haben jetzt die Chance, es hier in der Woche in La Manga besser zu machen und besser in die Rückrunde zu starten. Dann wird auch jeder einzelne besser spielen und besser dargestellt.“

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Nach der starken Saison 2016/17 im Trikot von Borussia Dortmund, als der Name des fünfmaligen Nationalspielers mal sogar wieder im Gespräch für eine Nominierung in die deutsche Auswahl war, ging es abwärts. Beim BVB lief es nicht mehr so gut wie zuvor – und beim VfB läuft es noch gar nicht. „Das komplette Jahr 2018 kann man eigentlich sportlich vergessen, abgesehen von der Geburt meiner Tochter war es nicht so doll“, sagt Gonzalo Castro. „Ich habe mir viel vorgenommen für die Rückrunde, um an meine alte Leistung anzuknüpfen.“

Im Training blitzt das Können auf

Woran das Tief liegt, kann er nicht so richtig erklären. Er fühlt sich angekommen in Stuttgart, am Wohlfühlfaktor liegt es nach eigener Aussage nicht. „Die sportlichen Leistungen haben nichts mit irgendetwas anderem zu tun“, sagt er. „Es gibt so Phasen im Fußball. Es ist dann wichtig aufzustehen und zu zeigen, dass man das besser kann.“

Im Training blitzt sein Können immer wieder auf. Er beweist Übersicht, bereitet Tore vor, der entscheidende Pass geht ihm leicht vom Fuß. Im Gespräch danach tritt er ebenso abgeklärt auf, auch unangenehme Fragen bringen ihn nicht aus der Ruhe. Etwa die, ob er als Teil der ersten Generation von Teenagerprofis (mit 17 debütierte er einst in Leverkusen) wie auch Wayne Rooney oder Raul den Zenit mit 31 schon früher überschritten habe? „Ich werde keine sieben, acht Jahre mehr spielen vom Empfinden her, aber meinem Körper geht es relativ gut“, sagt Gonzalo Castro. „Ich bin immer noch fit, meinen Knien und meinen Hüften geht es sehr gut – ich bin noch lange nicht fertig hier beim VfB Stuttgart.“

Ein Wechsel in der Winterpause war oder ist also auch kein Thema? „Nein. Klar, man denkt immer, warum läuft es nicht und sieht dann alles schwarz. Aber ich habe ein sehr gutes Umfeld und habe da ein paar Sachen gesagt bekommen, die gestimmt haben. Deshalb ist das im Moment vom Tisch“, sagt er – und radelt er die 1,2 Kilometer zurück ins Teamhotel.