Detlev Zander, Sprecher des Betroffenenforums Foto: factum/Archiv

Detlev Zander und andere ehemalige Heimkinder der Brüdergemeinde verweigern die Beauftragung von Vermittlern. Sie wollen stattdessen mit der Aufklärung beginnen.

Korntal-Münchingen - Ein Treffen am Montagnachmittag in Stuttgart sollte dazu dienen, Mediatoren zu beauftragen. Sie sollen mit daran arbeiten, die Beteiligten im Aufarbeitungsprozess des Korntaler Missbrauchsskandals an einen Tisch zu bringen.

Die Frankfurter Mediatoren Elisabeth Rohr und Gerd Bauz sollen eine Gesprächsebene schaffen für die beiden Opferverbände – das Netzwerk Betroffenenforum und die AG Heimopfer Korntal – sowie die evangelische Brüdergemeinde Korntal. Doch laut Detlev Zander war das Treffen, zumindest für das Betroffenenforum, alsbald wieder beendet. „Wir haben uns aus dem Mediatorenprozess verabschiedet“, sagt Zander. Er lebte selbst einst im Korntaler Hoffmannhaus und hat die Fälle von physischer und psychischer Gewalt in den 1950er bis 1970er Jahren in den Kinderheimen der evangelischen Brüdergemeinde öffentlich gemacht.

Mail bringt Fass zum Überlaufen

Ausschlaggebend für den Rückzug am Montag war offenbar eine E-Mail, in der die Mediatorin erklärt, das Verfahren im Zweifelsfall auch ohne Zander und seine Mitstreiter fortzuführen, sollte er einseitig auf Rechtsanwalt Ulrich Weber beharren. Weber klärt die Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen auf. „Das ist doch keine Mediation“, ärgert sich Zander.

Die Mail hat freilich nur das Fass zum Überlaufen gebracht. Im Kern ärgern sich Zander und seine Mitstreiter über die immer noch nicht begonnene Aufarbeitung. Der Aufklärer soll Zugang zu den Archiven haben und autonom tätig sein. „Wir haben nicht zu bestimmen, wie der Aufklärer arbeitet“, sagt Zander und stellt klar: „Es geht hier nicht um Herrn Weber. Wir beharren auf dem Regensburger Modell.“ Dort seien die Berichte der Betroffenen zunächst auf Plausibilität geprüft worden. Die Beteiligten wurden dann gemeinsam mit einem Zwischenbericht informiert.

Zander anerkennt wohl, wenn die Brüdergemeinde erklärt, eine Verantwortung für das Geschehen einst und deshalb auch eine moralische Verantwortung für die Aufarbeitung jetzt zu haben. „Aber wir wollen nicht mehr unter der Obhut der Brüdergemeinde sein. Wir sind heute erwachsene Menschen.“ Die Betroffenen – die meisten von ihnen zwischen 50 und 60 Jahre alt – wollten sich nicht länger der Brüdergemeinde beugen.

Schon lange reden sie nicht mehr ausschließlich von finanzieller Entschädigung. Die Treffen des Betroffenenforums etwa sind geprägt vom Wunsch, die Erlebnisse schildern zu können und Eindrücke von damals mit dem Wissen von heute zusammenzubringen. Wurden sie wirklich Opfer von Medikamentenmissbrauch? Wie viel wussten die Verantwortlichen in der Brüdergemeinde darüber, was einzelne Mitarbeiter machten? Die Täter kann man vielfach nicht mehr fragen, sie sind gestorben. Andere, die es wissen könnten und sich präzise erinnern, werden rar. Der Mediationsprozess, so Zander, zöge das Verfahren unnötig in die Länge.

Brüdergemeinde will das weitere Verfahren erläutern

Die Verärgerung des Netzwerks Betroffenenforum über den Mediationsprozess schwelt schon eine Weile. „Wir brauchen den Mediationsprozess nicht“, poltert Zander, zumal die verantwortlichen Sprecher der beiden ursprünglich tatsächlich zerstrittenen Gruppen, Detlev Zander und Wolfgang Schulz, im Kontakt stehen. „Wir brauchen allenfalls eine Mediation mit der Brüdergemeinde“, sagt Zander.

Mit der pietistischen Gemeinde streitet das Betroffenenforum nach wie vor über die Bezahlung der Infrastrukturkosten, etwa die Miete für ein Büro. Dass die Betroffenen dort noch keine Kündigung erhalten haben, liege daran, dass der Vermieter die ehemaligen Heimkinder unterstützt. Die Brüdergemeinde hat erklärt, nach Vorlage der Belege die Kosten zu erstatten. Die Betroffenen beharren auf einem Treuhandvertrag – um von der Gemeinde unabhängig zu agieren.

Die Brüdergemeinde will an diesem Dienstag erklären, wie sie sich das weitere Vorgehen vorstellt.