Das Landratsamt prüft, ob die Brüdergemeinde dem Staat Behandlungskosten der Opfer erstatten muss. Foto: dpa-Zentralbild

Mit dem Aufklärungsbericht ist die Aufarbeitung nicht abgeschlossen. Das Landratsamt prüft Regressansprüche.

Korntal-Münchingen - Die Erwartung der ehemaligen Heimkinder an das Treffen am Sonntag ist nicht besonders hoch. Noch immer sind viele Fragen zum Geschehen in den Heimen offen. Der Landkreis prüft unterdessen, ob er die Brüdergemeinde in Regress nehmen kann.

Das Treffen

Bei der mehrstündigen Zusammenkunft unter Ausschluss der Öffentlichkeit in einem Stuttgarter Hotel soll den Betroffenen die Möglichkeit zur Aussprache über den Aufklärungsbericht gegeben werden. Die Betroffenen setzen sich erstmals seit seiner Veröffentlichung gemeinsam in Anwesenheit der Aufklärer mit deren Bericht auseinander.

Die Teilnehmer

Einige Betroffene erwarten von dem Treffen nach eigenen Angaben nichts. Martina Poferl gehört zu den ehemaligen Heimkindern, die bald nach Detlev Zander an die Öffentlichkeit gegangen waren. Sie vermutet, es werde „eh wieder nur ein Loblied auf die gelungene Aufklärung geben“. Der Aufklärungsbericht sei für sie aber nicht akzeptabel, da er nicht vollständig sei. Darin ist sie sich mit der Betroffenen Angelika Bandle einig. Die Brüdergemeinde müsse Konsequenzen daraus ziehen, dass vertuscht worden sei. Bandle wird wie Detlev Zander mit geringen Erwartungen nach Stuttgart kommen. Wie Detlev Zander fordert sie nun, sich mit den vergangenen vier Jahren der Aufarbeitung auseinanderzusetzen, die von Streit, Verletzungen und Demütigung erfüllt gewesen seien.

Die Brüdergemeinde

Die pietistische Gemeinde verweist auf die „zahlreichen positiven Rückmeldungen“, die es zu dem Aufarbeitungsprozess – und laut Hafeneger – auch zum Bericht gegeben habe. Die Ergebnisse des Aufklärungsberichts seien für sie Auftrag und Verpflichtung, das Geschehene nicht zu vergessen.

Die juristische Diskussion

Während ehemalige Heimkinder um die Anerkennung ihres Leids kämpfen, läuft auf einer anderen Ebene bereits die juristische Auseinandersetzung. Das Landratsamt prüft Regressansprüche gegenüber der Brüdergemeinde. Bei Menschen wie etwa Detlev Zander, die nach dem Opferenschädigungsgesetz anerkannt sind, kann der Staat ein Teil der bei diesen Personen entstandenen Behandlungskosten, die der Staat zunächst bezahlte, zurückfordern. Derweil hat die Aufklärerin Brigitte Baums-Stammberger erklärt, keine Strafanzeige gegen Ursula Enders von der Beratungsstelle Zartbitter zu erstatten. Anlass für die Prüfung einer Strafanzeige war Enders’ Kritik am Aufklärungsbericht.

Die Unterlagen

Die Akten liegen laut Hafeneger weitgehend im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart (LKAS), seien dort bearbeitet worden beziehungsweise werden noch bearbeitet. Restbestände aus der Brüdergemeinde, die Hafeneger nach eigenem Bekunden aber bereits gesichtet und untersucht hat, sollen ihm zufolge noch dem LKAS übergeben werden. Der Bestand ist dann öffentlich zugänglich.