Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx (li.) und der Trierer Bischof Stephan Ackermann bei der Vorstellung der Missbrauchsstudie Foto: epd

Zwischen 1946 und 2014 kam es zu massiven sexuellen Übergriffen von Priestern oder anderen Kirchenangehörigen auf Kinder und Jugendliche. Was sind die Ursachen? Und wie sieht es mit Strafen und Entschädigungen aus?

Stuttgart - Rund 340 Seiten lang ist die Studie über den Missbrauch in der katholischen Kirche. Sie ist eine Zusammenführung von sieben äußerst unterschiedlichen Teilprojekten. Die von der Deutschen Bischofskonferenz beauftragten Wissenschaftler arbeiteten zudem nicht unter optimalen Bedingungen. So hatten sie zum Beispiel keinen direkten Zugriff auf die Akten der Diözesen. Doch nicht nur dies erregt in Fachkreisen Kritik. Wir fassen die wichtigsten Ergebnisse zusammen:

Täter: Von 1946 bis 2014 wurden in den 27 Diözesen 1670 Kleriker des Missbrauchs beschuldigt, 4,4 Prozent aller Kleriker. Bei den Priestern sind es 5,1 Prozent, bei den hauptamtlichen Diakonen 1,0 Prozent. Die Forscher nehmen an, dass nicht alle Taten bemerkt und dokumentiert wurden. Kritiker monieren, es habe auch viele Falschbeschuldigungen gegeben. Der Psychologe Manfred Lütze geht von 1000 zweifelsfrei erwiesenen Fällen aus.

Die meisten Opfer waren höchstens 13

Opfer: 3677 Kinder und Jugendliche seien in dem genannten Zeitraum Opfer von sexuellem Missbrauch gewesen. Fast zwei Drittel waren Jungen, während sonst eher Mädchen betroffen sind. Mehr als die Hälfte war beim Missbrauch höchstens 13 Jahre alt. Die Taten wurde meist im Rahmen einer kirchlichen oder seelsorgerlichen Beziehung vorbereitet. Die Opfer waren etwa Ministranten, Schüler im Religionsunterricht oder Internatsschüler.

Entwicklung: In der Studie heißt es „für den gesamten Untersuchungszeitraum von 1946 bis 2014 ist von einem Andauern des Missbrauchsgeschehens auszugehen“. Das lässt darauf schließen, dass die vielen Bemühungen, die Prävention zu verstärken und die Täter konsequenter zu verfolgen, verpufft seien. Doch Experten wie der Kriminologe Christian Pfeiffer betonen, dass es in der Gegenwart viel weniger Missbrauch in der katholischen Kirche gebe als früher. Gründe dafür seien, dass das Risiko entdeckt zu werden, für Täter heute viel höher sei, weil die Anzeigebereitschaft größer sei. Auch könnten Priester aktuell viel eher ihre Sexualität leben, so dass sich die Täter nicht ersatzweise an Kindern vergreifen würden.

Wenige Strafanzeigen

Ursachen: Bei einer Minderheit der Beschuldigten gab es zwar Hinweise auf Pädophilie, überproportional viele von ihnen waren aber homosexuell. Allerdings halten die Forscher auch deutlich fest: Weder Homosexualität noch der Zölibat seien an sich eine Ursache für sexuellen Missbrauch. Ein Hinweis auf andere Gründe ist dagegen, dass zahlreiche Beschuldigte sich überfordert und vereinsamt fühlten, psychisch auffällig oder suchtkrank waren.

Strafen: Nur bei einem Drittel der Beschuldigten wurden kirchenrechtliche Verfahren eingeleitet. Drastische Strafen wie der Entlassung aus dem Priesterstand oder dem Verstoß aus der Glaubensgemeinschaft gab es kaum. Relativ oft wurden Beschuldigte versetzt, ohne dass die neue Stelle über die Beschuldigungen informiert wurden. Nur bei 37,7 Prozent gab es eine Strafanzeige. Überraschenderweise kritisieren die Forscher allerdings, dass 20 Diözesen mittlerweile jede Beschuldigung an die Staatsanwaltschaft weiterreichen und so die Verantwortung an eine unabhängige Stelle weiter reichen. Der Vertuschung wird so freilich sicher ein Riegel vorgeschoben.

Entschädigung: Nicht alle Stellen, an die sich Opfer wenden können, sind unabhängig von der Kirche. Während in einer Diözese alle Anträge auf Entschädigung positiv beschieden wurden, waren es in einer anderen nur 7 Prozent. Die Forscher sehen insgesamt im Bereich Vorbeugung noch viele Verbesserungsmöglichkeiten, sie schreiben aber auch: „Die Bemühungen der katholischen Kirche um eine gute Präventionsarbeit… können in Teilen als Modell für andere Institutionen dienen.“