Bei der Diakonie Stetten hat sich ein Pfleger an zwei Behinderten vergangen. Foto: dpa

Ein Heilerziehungspfleger hat einen seiner Schützlinge vergewaltigt und einen weiteren missbraucht. Er legt ein Geständnis ab – trotzdem bringt seine Version des Geschehenen den psychatrischen Gutachter auf die Palme.

Rems-Murr-Kreis - Das Landgericht Stuttgart hat am Montag einen 34 Jahre alten Mann für vier Jahre und drei Monate ins Gefängnis geschickt. Die Kammer befand den Heilerziehungspfleger des schweren sexuellen Missbrauchs eines behinderten zwölfjährigen Jungen und des Missbrauchs einer ebenfalls behinderten jungen Frau für schuldig. Die Taten hatten sich im Lauf des Jahres 2016 ereignet – der Mann war damals als Zeitarbeiter für die Diakonie Stetten tätig und in der Einrichtung für Nachtwachen eingeteilt.

Nachdem der Heilerziehungspfleger zu Beginn des Prozess gestanden hatte, den Jungen vergewaltigt, die junge Frau unsittlich berührt und weit mehr als tausend Kinder- und jugendpornografische Dateien auf seinen Computer heruntergeladen zu haben, stand seine Schuld nicht in Frage. Dass er den Opfern durch ein Geständnis einen belastenden Auftritt vor Gericht ersparte, rechnete ihm die Richterin in der Urteilsbegründung zugute.

Der psychatrische Gutachter muss an sich halten

Offen war bislang aber, warum der 34-Jährige die Taten begangen hat und ob er schuldfähig ist. Zu klären hatte dies der psychiatrische Sachverständige Peter Winckler. Dieser ist einiges gewohnt – immerhin begutachtet er in seinem Alltag immer wieder Mörder und Totschläger. Im Gespräch mit dem gelernten Heilerziehungspfleger, musste er jedoch sichtlich an sich halten.

Auf die Palme brachte ihn vor allem das Tatmotiv, das der 34-Jährige ihm genannt hatte: „Er sagte, dass er den Geschädigten Geborgenheit und liebevolle Nähe geben wollte.“ Woraufhin der Gutachter sehr deutlich wurde: „Wenn Sie mit einem schwerbehinderten Kind den Analverkehr vollziehen, hat das mit Geborgenheit nichts zu tun. Das ist das Gegenteil.“ Zumal der damals zwölfjährige Junge dabei Schmerzen hatte und dies zum Ausdruck gebracht haben soll. Auch die Behauptung, er habe sich die Kinderpornos nur heruntergeladen, weil er es als technische Herausforderung empfunden habe, an das verbotene Material zu gelangen, nahm Winckler ihm nicht ab.

Der 34-Jährige ist wegen seiner pädophilen Neigungen in Therapie

Tatsächlich entdeckte der Gutachter bei dem Pfleger aber eine komplexe Persönlichkeitsstörung – unter anderem, weil dieser sich mit seinen 34 Jahren offenbar selbst über seine Sexualität noch nicht klar ist. Insgesamt seien die psychischen Baustellen des Mannes aber nicht so schwerwiegend, dass der 34-Jährige die Tragweite seiner Taten nicht begreifen hätte können. Auch seine Biografie mit zwei abgeschlossenen Berufsausbildungen und jahrelangen Beziehungen sei nicht die eines schwer gestörten Menschen. Der Angeklagte ist zwar wegen Depressionen in Behandlung – diese sind für Winckler aber eine Reaktion darauf, dass der 33-Jährige nach dem Bekanntwerden der Taten seinen Job und seine langjährige Freundin verloren hat.

Die Staatsanwältin hatte insgesamt fünf Jahre Haft für den 34-Jährigen gefordert. Sein Verteidiger beantragte ein Jahr weniger. Der Angeklagte nutzte seine Gelegenheit zu einem letzten Wort. Er entschuldigte sich bei seinen Opfern und trug eine Bitte vor: „Es wäre mir ein großes Anliegen, meine Therapie fortsetzen zu können, um erneute Übergriffe auszuschließen.“ Über letzteres konnte das Landgericht am Montag nicht entscheiden – es kann allerdings eine entsprechende Empfehlung in seine Urteilsbegründung aufnehmen. Der Verurteilte hat nun die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen das Urteil des Landgerichts einzulegen.