Beim Vergleich der Ministerien erweist sich das Verkehrsministerium 2013 als besonders ausgabefreudig: Dort fielen 2,26 Millionen Euro für Gutachten an. Foto: dpa

Die Landesministerien haben große Beamtenapparate. Der Steuerzahlerbund fragt sich, wozu. Innerhalb von zehn Jahren haben sich die Ausgaben für externe Berater verzehnfacht.


Die Landesministerien haben große Beamtenapparate. Der Steuerzahlerbund fragt sich, wozu. Denn die Häuser geben immer mehr für externe Berater aus.


Stuttgart - Der Bund der Steuerzahler bemängelt eine Kostenexplosion für Gutachten in den Landesministerien. In nur zehn Jahren hätten sich die Mittel dafür von ehemals 800 000 Euro im Jahr 2004 auf annähernd 7,9 Millionen Euro im Jahr 2013 nahezu verzehnfacht. „Das ist erschreckend“, sagte der Chef des Steuerzahlerbundes, Wilfried Krahwinkel, der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart. Auch nach dem Regierungswechsel zu Grün-Rot hätten sich die Zahlen rapide nach oben entwickelt. Die Gesamtsumme habe sich von 2012 auf 2013 um eine Million Euro erhöht.
„Wir würden uns wünschen, dass man auf die Experten der eigenen Häuser zurückgreift“, betonte der oberste Steuerzahler im Land. Alles andere laufe einer soliden Haushaltsführung zuwider. Wenn den Ministerien die Sachkenntnis fehle, komme dies einem „fachlichen Offenbarungseid“ gleich. Ein weiteres Motiv für die „Gutachteritis“ könne der Wunsch sein, neue Projekte durch eine objektive Instanz rechtfertigen zu wollen.
Auch der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Klaus Herrmann, mahnte: „Diese Verschwendung von Steuergeldern ist nicht in Ordnung.“ Er habe den Eindruck, dass sich die Landesregierung externen Sachverstands bediene, um ihre „eigenen vorgefertigten Meinungen zu untermauern“. Das Verhalten der Ministerien zeuge von Misstrauen gegenüber eigenen Mitarbeitern, die man damit übergehe. Die Fraktion habe schon seit Ende der 1990er Jahren die Problematik im Blick. Gutachten seien nur in ganz speziellen fachlichen Fragen angebracht, erläuterte Herrmann.
Auch unter CDU-geführten Landesregierungen waren die Ausgaben für Gutachten explodiert. Nach Angaben von Krahwinkel waren 2008 und 2009 erstmals Zahl der Gutachten und Kosten noch oben geschnellt: In Auftrag wurden damals 234 Gutachten für 11,8 Millionen Euro gegeben - jeweils eine Verdopplung. Nach Zurückhaltung in den Jahren 2010 und 2011 seien dann unter Grün-Rot 2012 und 2013 alle Hemmungen gefallen.
Der Verband prangert auch die meist freihändige Vergabe der Expertisen statt öffentlicher Ausschreibungen an. Nicht in allen Fällen werde die Grenze, ab der Aufträge ausgeschrieben werden müssen, von 10 000 Euro eingehalten. „An oberster Stelle muss der Wettbewerb stehen, selbst wenn beschränkte Verfahren rechtlich zulässig sind.“
Beim Vergleich der Ministerien erweist sich das Verkehrsministerium 2013 als besonders ausgabefreudig: Dort fielen 2,26 Millionen Euro für Gutachten an. Jüngst hatte die CDU-Fraktion die Ausgabepraxis im Haus von Minister Winfried Hermann (Grüne) vor allem im Zusammenhang mit dem von ihm kritisierten Stuttgart 21 scharf gerügt. Auch Krahwinkel mutmaßte, die hohen Summen für Expertise zu dem Bahnprojekt seien Folge der ablehnenden Haltung Hermanns. CDU-Mann Herrmann kündigte an, die Vergabepraxis im Verkehrsministerium im Finanzausschuss des Landtags unter die Lupe nehmen zu wollen.
Auf Platz zwei lag im Vorjahr das Justizministerium mit 1,6 Millionen Euro, gefolgt vom Finanz- und Wirtschaftsministerium mit knapp 1,1 Millionen Euro. Am sparsamsten ging des Integrationsministerium mit den Steuergeldern um. Dort fielen nur Kosten von knapp 62 000 Euro für Expertisen an. Im Jahr 2012 trug das Staatsministerium mit Ausgaben von 1,2 Millionen Euro für Gutachten am meisten zu einer Gesamtsumme aller Ministerien von 6,8 Millionen Euro bei.
Bei dem Ranking der teuersten Einzelgutachten lag das Justizministerium 2013 vorn. Im Zusammenhang mit der Einführung einer Software zur Personalberechnung bei Richtern und Staatsanwälten fielen 1,55 Millionen Euro an. Auf Platz zwei folgt das Landwirtschaftsministerium mit einem Gutachten zum Nationalpark Schwarzwald für knapp 767 000 Euro. An dritter Stelle rangiert das Staatsministerium mit einem Auftrag von knapp 750 000 Euro an eine Agentur zur Vorbereitung des Tags der Deutschen Einheit und des Bürgerfestes im Oktober 2013.
Bei den nachgeordneten Behörden machen die Kontrolleure eine besondere Neigung zu Gutachtenvergaben im Wissenschaftsbereich aus. Universitäten, Hochschulen, Museen und Theater vergaben 430 Gutachten für 7,7 Millionen Euro (2012).