Bei der Diesel-Nachrüstung sind Svenja Schulze und Andreas Scheuer sich nicht einig. Foto: dpa

Fünf Städte sind Pionier für sauberere Luft und bessere Mobilität in der City. Von ihren Erfahrungen soll später der Rest der Republik profitieren. Der Bund gibt in zwei Jahren 130 Millionen Euro Fördergeld. Aus dem Südwesten sind drei Kommunen mit dabei.

Berlin - In fünf Modellstädten mit überhöhter Stickoxidbelastung will die Bundesregierung beweisen, dass „saubere Luft und gute Mobilität kein Widerspruch“ sein müssen. In den nächsten zwei Jahren fördert der Bund Verkehrsprojekte, die die Schadstoffbelastung deutlich und schnell reduzieren sollen, mit insgesamt 130 Millionen Euro in Herrenberg, Reutlingen, Mannheim, Bonn und Essen. Dabei experimentieren die Städte mit verbilligten Nahverkehrstickets, dem Ausbau der Bus- und Bahnlinien, neuen Busspuren und Radwegen sowie intelligenten Verkehrssteuerungssystemen, die den Stop-und-Go-Verkehr minimieren sollen, bei dem besonders viele Schadstoffe ausgestoßen werden.

Auch die Bundesregierung kann vom Lernerfolg der Modellstädte profitieren

Von den Erfahrungen der fünf Modellstädte soll später nicht nur der Rest der Republik profitieren, sondern auch die Bundesregierung. Denn nach wie vor droht Deutschland ein teures EU-Vertragsverletzungsverfahren, weil europäische Schadstoffgrenzwerte in vielen Städten nach wie vor nicht eingehalten werden. Außerdem drohen vielen Städten immer noch Fahrverbote, weil Gerichte die bisher existierenden Luftreinhaltungspläne nicht für ausreichend halten. Das würde die Bundesregierung gerne vermeiden.

Luftqualität ist Lebensqualität“, sagte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der die Projekte zusammen mit Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) und Bürgermeistern der fünf Modellstädte in Berlin präsentierte. Zwar sei die Schadstoffbelastung in Deutschland um siebzig Prozent reduziert worden. Aber immer noch 65 Städte liegen aktuell über den europaweit erlaubten Grenzwerten beim Stickoxid. „Weil es um ein Reizgas geht, das für Kinder und ältere Menschen sehr gefährlich ist, hat der Bund einen so hohen Förderanteil von 95 Prozent bei diesem Programm übernommen“, erklärte Umweltministerin Schulze.

Der Verkehrsminister will wissen, ob der Preisvorteil als Anreiz zum Autoverzicht taugt

Laut Verkehrsminister Scheuer sind aktuell 112,7 Millionen Euro aus diesem Fördertropf vergeben. Von den Projekten in den fünf Städten profitierten insgesamt 1,3 Millionen Bürger. Nach Bonn fließen 39,34 Millionen Euro, Mannheim erhält 28,37 Millionen Euro, nach Essen fließen 21,22 Millionen Euro. Reutlingen kann mit Förderzusagen über 19,22 Millionen Euro und Herrenberg über 4,52 Millionen Euro rechnen. Während der Testphase bis zum Jahr 2020 werden die Kommunen von den beiden Bundesministerien beraten und wissenschaftlich begleitet. So wird gemessen, ob die einzelnen Projekte tatsächlich so erfolgreich wirken, wie die Planer sich das versprechen. die erste Zwischenbilanz soll im Sommer 2019 gezogen werden. Abgesehen vom Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) liegt den fünf Modell-Bürgermeistern vor allem die Erprobung von Preisnachlässen am Herzen. Bonn und Reutlingen setzen zum Beispiel auf das 365-Euro-Jahresticket nach dem Motto: für einen Euro pro Tag auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen und das Auto stehen lassen. Bonn hat außerdem ein Familien-Tagesticket im Angebot, bei dem fünf Personen zum Preis von einem Fahrgast reisen können. „Danach wissen wir, ob günstigere Preis die Menschen wirklich zum Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr bewegen“, sagte Scheuer.

Uneins zeigten die Bundesminister sich erneut bei der Frage von Hardware-Nachrüstungen bei Diesel-Fahrzeugen. Schulze ist dafür, Scheuer bleibt skeptisch. Die Kanzlerin hat eine Entscheidung im September angekündigt. Scheuer nannte Ende September als Termin.