Der Präsident Donald Trump und seine Republikaner mussten eine herbe Niederlage einstecken. Foto: AP

Die Amerikaner haben bei den Wahlen ihrem enthemmten Präsidenten eine parlamentarische Fußfessel angelegt. Doch nichts spricht dafür, dass sich Donald Trump davon beeindrucken lässt, kommentiert Karl Doemens.

Washington - Für diesen Tweet brauchte Donald Trump mehr als fünf Stunden. Ganz gegen seine Gewohnheit war der Präsident zunächst mucksmäuschenstill geblieben, während am Dienstagabend die einstmals roten Wahlbezirke der USA auf den Fernsehkarten zunehmend blaue Flecken bekamen. Um Viertel nach elf Uhr Ortszeit aber griff Trump zum Smartphone. „Gewaltiger Sieg heute Abend. Danke Euch allen!“, tippte er hinein.

Nicht einmal Trumps Lieblingssender Fox hätte diese Interpretation der Kongresswahlen wohl gestützt. Tatsächlich haben der Präsident und seine Republikaner eine herbe Niederlage einstecken müssen: Ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus ist hin, und zwar wahrscheinlich noch deutlicher als von den Auguren im Weißen Haus befürchtet. Von Virginia bis Kalifornien konnten die Demokraten reihenweise Mandate erobern, die teilweise seit langem in konservativer Hand waren.

Der Mehrheitswechsel im Parlament markiert einen tiefen Einschnitt in Trumps Präsidentschaft. Bislang konnte Trump praktisch ungehindert schalten und walten, wie es ihm in seinem zunehmend absolutistischen Gehabe in den Sinn kam. Künftig werden die Demokraten sämtliche Ausschüsse des Repräsentantenhauses leiten und für eine möglichst strenge Kontrolle nutzen. Nicht nur dürften Trumps gesetzgeberische Aktivitäten damit zum Stillstand kommen, weil die Oppositionspartei weder das Geld für die Mauer zu Mexiko bewilligen noch die Zerstörung der Krankenversicherung Obamacare unterstützen wird. Vor allem werden die Abgeordneten Trumps Steuerunterlagen anfordern und damit die Untersuchung möglicher Russland-Kontakte und privater Bereicherung im Amt forcieren. Auch die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens ist denkbar.

Vermutlich werden die politischen Debatten noch schärfer

Das Ergebnis der Kongresswahlen macht Hoffnung, auch weil so viele junge Abgeordnete den Sprung ins Parlament schaffen. Der Kongress wird deutlich weiblicher und bunter sein als bisher. Das ist ein beachtlicher Erfolg der Demokraten. Von einem Triumph aber ist auch diese Partei weit entfernt: Ihr schwarzer Hoffnungsträger Andrew Gillum konnte sich beim Rennen um den Gouverneursposten in Florida nicht gegen einen üblen Trumpianer durchsetzen. Und der zum neuen „Robert Kennedy“ verklärte Polit-Popstar Beto O’Rourke scheiterte auf dem Weg in den Senat. Nicht nur er: Im „Oberhaus“ des Kongresses haben die Demokraten böse Rückschläge einstecken müssen. Die Republikaner können ihre Mehrheit noch ausbauen.

Unterm Strich fiel das Votum der Wähler damit ähnlich gespalten aus wie es die gesellschaftliche Stimmung im Land ist. Die Amerikaner haben ihrem enthemmten Präsidenten eine parlamentarische Fußfessel angelegt. Doch nichts spricht dafür, dass sich Trump davon beeindrucken lässt. Im Gegenteil: Seine Basis steht weiter hinter ihm. Die neue republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus wird noch Trump-treuer sein als die alte. Der selbsternannte Kämpfer gegen das Establishment wartet nur darauf, die Demokraten als Blockierer und Verhinderer zu diffamieren. Wahrscheinlich werden die politischen Debatten noch schärfer, der Umgangston noch enthemmter und die Zerrissenheit des Landes noch größer werden. Das finstere Kapitel Trump ist mit diesen Wahlen jedenfalls noch lange nicht erledigt.

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