Szene aus der Oper „La Conquista“ (2005) des zeitgenössischen italienischen Komponisten Lorenzo Ferrero Foto: Wikipedia commons/Nla ic Muni CC BY-SA 3.0

Mitte des 16. Jahrhundert starben rund 15 Millionen Menschen in Mexiko an der „Aztekenpest“. Forscher – unter anderem von der Universität Tübingen – haben jetzt die Ursache für diese Cocoliztli-Epidemie gefunden.

Mexiko-Stadt/Tübingen - Ein internationales Forscherteam hat jetzt herausgefunden, was innerhalb von wenigen Jahren rund 15 Millionen Menschen ausgelöscht hat. Von 1545 bis 1550, und dann noch einmal von 1576 bis 1578 wütete in Mexiko die „Aztekenpest“ – auch „Cocoliztli-Epidemie genannt. Die Opfer litten unter einem hämorrhagischen (Blutungen auslösendes) Fieber und Kopfschmerzen. Sie bluteten aus Augen, Mund und Nase bevor sie nach drei bis vier Tagen starben.

Bakterium brachte Indios den Tod

Der Erreger der todbringenden Seuche war unbekannt – bis jetzt. Nach fast 500 Jahren steht fest, dass weder Masern oder Pocken noch Mumps oder Grippe für die Katastrophe verantwortlich waren, sondern ein Bakterium – Salmonella enterica Paratyphi C.

Rund 80 bis 90 Prozent Prozent der damals 25 Millionen Menschen umfassenden indigenen Bevölkerung Mexikos und Guatemalas fielen der Cocoliztli-Epidemie zum Opfer. Damit gehört Cocoliztli – aztekisch für Pest – zu den tödlichsten Epidemien der Menschheitsgeschichte. Eine Pockenepidemie hatte bereits in den Jahren 1519 bis 1520 rund acht Millionen Ureinwohnern das Leben gekostet. Die Bevölkerung Mexikos regenerierte sich über mehrere Jahrhunderte lang nicht.

Internationales Forscherteam entdeckt Verursacher

Das Forscherteam vom Max-Planck-Institut (MPI) für Menschheitsgeschichte in Jena, von den Universitäten Tübingen und Harvard (USA) sowie vom Nationalen Institut für Anthropologie und Geschichte Mexikos fanden anhand von DNA-Proben der Opfer die Lösung. Mit Hilfe einer neue Methode zur Analyse alter DNA konnten sie in den Skeletten von Opfern das Bakterium, welches das enterische Fieber verursachte, identifizieren.

Die Studie ist im Wissenschaftsmagazin „Nature Ecology and Evolution“ veröffentlicht.

In der Indio-Siedlung Teposcolula-Yucundaa im mexikanischen Oaxaca wurde bei archäologischen Grabungen der einzige Seuchenfriedhof freigelegt, der bislang mit dem Ausbruch der Cocolitzli-Epidemie in Verbindung gebracht wird. Die Forscher untersuchten mit Hilfe eines neuartigen Computerprogramms das Erbgut von 29 menschlichen Überresten.

„Angesichts des historischen und archäologischen Kontextes von Teposcolula-Yucundaa bot sich uns die einzigartige Gelegenheit, die Frage nach den mikrobiellen Ursachen dieser Epidemie zu beantworten“, erklärt Åshild J. Vågene vom MPI für Menschheitsgeschichte.

Spanische Eroberung Mittelamerikas

Am 21. April 1519 landete der spanische Offizier Francisco Hernández de Córdobain mit rund 700 Soldaten an der Küste Mexikos in der Nähe der heutigen Stadt Veracruz. Innerhalb von nur zwei Jahren eroberte der Konquistador mit seine später aufgestockten Truppen das mächtige Reich der Azteken und gründete das Vizekönigreich Neuspanien.

Die wirkungsvollsten Waffen der europäischen Eindringlinge waren aber nicht Schwerter aus Stahl, Arkebusen und Kanonen, sondern vor allem Krankheitserreger. Die von den Eroberern eingeschleppten und in Amerika bis dahin unbekannten Krankheiten, insbesondere Pocken, Masern und Grippe, brachten den Indios massenhaft den Tod.

Paratyphus ist weiter gefährlich

Das Bakterium Salmonella enterica Paratyphi verursacht ein enterisches Fieber – den sogenannten Paratyphus –, das Typhus vergleichbar ist. Die durch Salmonella enterica hervorgerufene Infektionskrankheit des gesamten Magen-Darms-Trakts führt zu massiven Verdauungs- und Bewusstseinsstörungen, stark erhöhter Temperatur und der Entwicklung roter Flecken.

Das Paratyphus-Fieber ist nach wie vor gefährlich: Auch heute gibt es immer wieder Ansteckungen, die zu Fieber, Dehydrierung und Magen-Darm-Infektionen führen. Erkrankte werden mit verschiedenen Antibiotika behandelt. Viele dieser Mittel sind allerdings aufgrund von Resistenzbildungen unwirksam.