Vom Gerichtszeichner festgehalten: El Chapo (2.v.r) verlässt wild gestikulierend den Saal, begleitet von US-Marshalls. Foto: AP

Der Kampf gegen illegale Drogen kostet die USA jedes Jahr Milliarden. Mit der Verurteilung von El Chapo kommt zwar eine Symbolfigur hinter Gitter. Doch seine Nachfolger sind schon am Werk.

New York - Joaquin Guzmán Loera (61), genannt El Chapo, der Kurze, einst Chef des scheinbar übermächtigen Sinaloa-Drogenkartells, wird wohl den Rest seines Lebens hinter den Mauern eines US- Hochsicherheitsgefängnisses verbringen. Aller Voraussicht nach in Florence in Colorado, am Fuße der Rocky Mountains. Zwar wird das Strafmaß erst im Juni verkündet, doch nach dem Schuldspruch einer Geschworenenjury sind die Weichen gestellt.

„Es ist ein Urteil, bei dem es die Möglichkeit einer Begnadigung nicht gibt“, stellt Richard Donoghue, der zuständige Staatsanwalt, klar. „Es ist ein Urteil, vor dem es keine Flucht und von dem es keine Rückkehr gibt.“ Ein wichtiger Etappensieg, womöglich sogar eine Zeitenwende im Kampf gegen die Rauschgiftbosse, das ist der Tenor der Behörden. Das Ministerium für Heimatschutz in Washington spricht von einer dröhnend lauten Botschaft an alle anderen Schmuggler: „Ihr seid nicht unerreichbar, ihr seid nicht unberührbar, euer Tag wird kommen.“

Es klingt nach einer Euphorie, vor der Experten ausdrücklich warnen.      Statistiken der Drug Enforcement Administration (DEA), der Strafverfolgungsbehörde im oft beschworenen „Krieg gegen die Drogen“, zeichnen ein Bild, das nicht so recht passt zum triumphierenden Ton. In den Jahren 2016 und 2017 – da saß  El Chapo bereits hinter Gittern – stieg allein die Heroinproduktion in Mexiko um 37 Prozent. Der Sinaloa-Ring  und ein rivalisierendes, aufstrebendes Kartell, Jalisco New Generation genannt, stellten für die Vereinigten Staaten die „größte kriminelle Drogengefahr“ dar, meldete die DEA unlängst.

In Kolumbien steuert der Koka-Anbau erneut auf Rekordwerte zu

In Kolumbien, woher das Gros des in den USA verkauften Kokains stammt, steuere der Koka-Anbau nach einer vorübergehenden Delle erneut auf Rekordwerte zu. Es war ein ernüchternder Befund vor dem Hintergrund der spektakulären Gerichtsverhandlung in Brooklyn, die das bislang grellste Licht auf die Schattenwelt einer hochprofitablen Geheimorganisation warf, auch wenn manche Szene eher an die Herz-und-Schmerz-Serien einer Telenovela im Fernsehen denken ließ.        

  Da war die Aussage seines ehemaligen Assistenten Alex Cifuentes, wonach El Chapo dem früheren mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto 100 Millionen Dollar Schmiergeld gezahlt haben soll. Da waren Schilderungen, die der Legende vom Robin Hood des Drogengeschäfts, großherzig gegenüber den Armen, wie sie Guzmán gern ausmalte, ad absurdum führten.

14 Milliarden Dollar soll Guzmán mit Drogen verdient haben

Bei Gewaltausbrüchen soll El Chapo Abtrünnigen aus nächster Nähe in den Kopf geschossen haben, um ihre leblosen Körper danach auf einen Scheiterhaufen werfen zu lassen. Da war der filmreife Auftritt einer jungen Geliebten, die gegen ihn aussagte und zugleich unter Tränen bekundete, dass sie ihn immer noch liebe.

  Im Laufe von 25 Jahren seien in Guzmáns Regie nahezu zweihundert Tonnen Kokain, Marihuana, Heroin und andere Drogen in die USA gebracht worden, hatte das Team des Staatsanwalts Donoghue zusammengefasst. Dazu habe sich der heute 61-Jährige der raffiniertesten Tricks bedient, zum einen eines Netzes grenzunterschreitender Tunnel, zum anderen einer Vielzahl von Lastwagen, Eisenbahnwaggons, Flugzeugen, Jachten, Schnellbooten, Fischkuttern und sogar U-Booten.

14 Milliarden Dollar, zog Donoghue Bilanz, habe Guzmán mit Drogen verdient. Ted Cruz, ein konservativer Senator aus Texas, griff die Zahl sofort auf. Die 14 Milliarden, schrieb er nach dem Juryspruch in einem Tweet, müssten für den Mauerbau an der mexikanischen Grenze verwendet werden. Wie genau er sich das vorstellt, behielt er einstweilen für sich.