Friedrich Merz knöpft sich Angela Merkel vor. Foto: Getty Images/Sean Gallup

Friedrich Merz greift Kanzlerin Merkel scharf an: Ihre „Untätigkeit“ und „mangelnde Führung“ habe sich wie ein „Nebelteppich“ über das Land gelegt. Der Sauerländer gilt selbst als möglicher Kanzlerkandidat der Union.

Berlin - Da steht ein Elefant im Raum“, beschreibt CDU-Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann die bisherige Lage. „Jeder spricht es hinter vorgehaltener Hand an, aber keiner traut sich, diese Frage mal offen zu stellen.“ Das ist jetzt anders: Es geht um die Führungsfrage in der CDU. Nachdem Tilman Kuban, der Chef der Jungen Union, wegen des verheerenden Landtagswahlergebnisses in Thüringen die CDU-Vorsitzende und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer anzählte, stimmen andere Parteivertreter öffentlich in die Debatte ein. Allerdings zielen nicht alle auf die Vorsitzende – zumindest nicht direkt.

Der vor bald einem Jahr im Wettstreit um den CDU-Vorsitz unterlegene Friedrich Merz knöpft sich in erster Linie Kanzlerin Angela Merkel vor: Ihre „Untätigkeit und die mangelnde Führung“ habe sich seit Jahren wie ein „Nebelteppich“ über das Land gelegt, sagte Merz dem ZDF. Das Erscheinungsbild der „sogenannten“ großen Koalition sei einfach nur „grottenschlecht“. Das könne so nicht weitergehen. „Und ich kann mir schlicht nicht vorstellen, dass diese Art des Regierens in Deutschland noch zwei Jahre dauert.“ Mit anderen Worten: Merz erwartet Neuwahlen und somit das Aus von Merkels Kanzlerschaft vor Ablauf der Legislaturperiode.

Kritik: Merkel hätte mehr ins Lenkrad greifen müssen

Nun sind sich Merz und Merkel bekanntermaßen in inniger Abneigung verbunden. Doch mit seiner Kritik an der aus seiner Sicht mangelnden Führung der Kanzlerin ist der Sauerländer nicht alleine. Unterstützung bekommt Merz aus der Unions-Bundestagsfraktion: So kritisiert der baden-württembergische Abgeordnete Michael Hennrich die bisher ausgebliebene öffentliche Reaktion Merkels auf den jüngsten Auftritt von Außenminister Heiko Maas (SPD) in Ankara. „Dass die Kanzlerin geflissentlich darüber hinwegsieht, wenn der Außenminister die Verteidigungsministerin im Ausland düpiert, ist für mich nur schwer nachvollziehbar“, sagte Hennrich unserer Zeitung. „Angela Merkel sollte ihr Schweigen beenden und öffentlich klar Position beziehen.“ Maas hatte sich während seines Türkeibesuchs maximal von Kramp-Karrenbauers Vorstoß zum Thema Syrien distanziert.

Vor einem Jahr hatte Merkel angekündigt, den Parteivorsitz abzugeben und sich auf das Kanzleramt zu konzentrieren. Seit bald elf Monaten ist die auch von ihren Mitarbeitern nur AKK genannte Kramp-Karrenbauer Merkels Nachfolgerin in der Parteizentrale. Doch Ruhe ist dadurch nicht eingekehrt – nicht in der Partei und ebenso wenig in der Koalition in Berlin. CDU-Innenexperte Armin Schuster bewertet die Rolle der Kanzlerin im Zusammenspiel mit der CDU-Parteichefin als zu passiv. „Der Übergang von Merkel zu AKK wirkte nicht harmonisch und wurde zu abrupt vollzogen“, sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag unserer Zeitung: „Mit der Erfahrung dieser Kanzlerin, die stärker ins Lenkrad greift, hätte das Doppel die vergangenen Monate deutlich besser laufen müssen.“

Merz und Laschet melden sich zu Wort – Spahn bleibt ruhig

Merz erneuerte nun sein Versprechen an Kramp-Karrenbauer, sie zu unterstützen: „Dazu stehe ich. Und dazu stehe ich auch in schwierigen Zeiten.“ Allerdings sagte der 63-Jährige auch, dass die Parteivorsitzende für das schlechte Abschneiden der CDU in Thüringen „kaum eine negative Rolle gespielt“ habe, sie sei „nicht die Einzige, die hier im Mittelpunkt der Kritik zu stehen hat“. Wieder mit anderen Worten: Kritik an Kramp-Karrenbauer ist aber durchaus angebracht.

Merz gilt neben Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet und Gesundheitsminister Jens Spahn als möglicher nächster Kanzlerkandidat der Union. Während Laschet sich vor wenigen Tagen bereits deutlich distanziert zu Kramp-Karrenbauers Syrienvorstoß äußerte, hält sich Spahn mit öffentlicher Kritik an seiner Kabinettskollegin zurück. „Gute Sachdebatten mit Profil machen immun gegen Personaldebatten“, sagte Spahn am Dienstag lediglich. Unter dem wachsenden Druck hatte die geschwächte Parteivorsitzende ihre Kritiker am Montag aufgefordert, im Streit um die Kanzlerkandidatur öffentlich Farbe zu bekennen. Die Frage solle auf dem Parteitag Ende November offen diskutiert werden. Dafür ist auch Merz, wie er in dem TV-Interview sagte: „Dann hoffe ich, dass es Konsequenzen gibt.“ Nur welche?