Angela Merkel hat mit dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer ihr Wahlprogramm vorgestellt. Foto: dpa

Angela Merkel hat mit dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer ihr Wahlprogramm vorgestellt. Darin kommt die CDU ohne Aufreger aus, kommentiert Norbert Wallet.

Berlin - SPD-Chef Martin Schulz hatte der Kanzlerin kürzlich in einer überzogenen Formulierung einen „Anschlag auf die Demokratie“ vorgeworfen, weil sie immer so flink ins Ungefähre ausweiche, statt sich politischen Debatten zu stellen. Angela Merkel hätte am Montag eine gute Gelegenheit gehabt, das Gegenteil zu beweisen. Da hat sie zusammen mit dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer ihr Wahlprogramm vorgestellt. Da kann, ja da sollte man eigentlich möglichst konkret werden.

Ein Programm, das vieles offen lässt

Die Union hat diese Chance durchaus nicht genutzt. Welchen Stellenwert ein Wahlprogramm für die beiden Spitzen der Union hat, machten beide in ihren Formulierungen – unfreiwillig – deutlich. Man könne in einem Programm „einfach ein bisschen träumen, was in den nächsten vier Jahren notwendig ist“, sagte Merkel. Seehofer sprach von einer „Fundgrube an Ideen“ – was einem Sammelsurium verdächtig nahe kommt. Und dass politische Träume nicht wirklichkeitstauglich sein müssen, liegt auf der Hand. Tatsächlich bleibt das Programm in vielen Fällen im Wolkigen. Bis 2025 soll die Vollbeschäftigung erreicht sein. (Wollen das nicht alle Parteien?) Ebenfalls bis 2025 sollen 3,5 Prozent des Haushalts in die Forschung fließen. Der Abbau des Soli soll 2020 erst einmal beginnen. Mal sehen wie lange die Auslaufphase dauert. Dem sehr Ungefähren des Programms entspricht in vollkommener Harmonie sowohl die bieder-brave Überschrift: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“, als auch das in Erhardscher Altväterlichkeit daherkommende Versprechen von „Wohlstand und Sicherheit für alle“. Ja, es gibt auch Konkretes. Eine gestufte Erhöhung des Kinderfreibetrags, die Idee eines Baukindergeldes, das Versprechen einer überschaubaren Steuerentlastung von 15 Milliarden Euro, ein Zuwanderungsgesetz für Fachkräfte. Aber insgesamt bleibt der Eindruck eines Programmes, das in Hinblick auf mehrere mögliche Koalitionspartner vieles offen lässt und niemanden ausschließt.

Politik als Krisenbewältigung

Man kann verstehen, dass diese fehlende Verbindlichkeit Merkels Gegner provoziert, weil sie kein Ziel bietet. Aber die Vermutung geht fehl, dass hier eine wahlweise perfide oder besonders geschickte Taktik zugrunde läge. Es ist das Selbstverständnis einer konservativen Partei, dass kluge Politik darin bestehe, die Dinge am Laufen zu halten, Fehlentwicklungen zu korrigieren, Krisen zu bewältigen – aber den politischen Prozess nicht mit Visionen und Projekten zu überfrachten. Politik als Krisenbewältigung – das verträgt sich nicht gut mit einem Arsenal kleinteiliger Programmpunkte, denn die krisenhaften Störungen des Betriebs sind eben nicht voraussehbar. Politik, sagen die Bürgerlichen, ist eben nur zu einem kleinen Teil planbar. Diese Nüchternheit ist nicht sehr weit weg von Beliebigkeit. Aber sie schützt vor ideologischer Überspanntheit und steht seit Jahrzehnten in einem staunenswertem Einklang mit einer eher veränderungsscheuen deutschen Wählerschaft.

Die SPD müsste die Ruhe stören

Es läge eigentlich an der SPD, diese Ruhe mit einem Schuss Radikalität aufzustören. Das tut sie durchaus nicht. Zur Wahrheit gehört, dass sich die Wahlprogramme der Volksparteien in Nuancen, nicht im Prinzip unterscheiden. Das sieht man bei der Steuerpolitik ganz gut. Umverteilungsfragen stellt – oh Schreck! – nur die Linke. Deren Rezepte mag man anzweifeln oder bekämpfen. Sie tut damit dem notwendigen öffentlichen demokratischen Streit aber einen besseren Dienst als die SPD, die vor Positionen zurückschreckt, die sie einst selbst vertreten hat. Schulz Vorwurf geht also ins Leere. Die Union hat Merkel und das reicht ihr als Programm. Was hat die SPD?

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