Kommt bald die Vernetzung von Mensch und Maschine? Foto:  

Künstliche Intelligenz ist längst keine Vision mehr. Computer übernehmen in der Arbeitswelt immer Aufgaben, die früher Menschen machten. Wird der Menschen bald überflüssig?

Stuttgart - Die Zukunft der Arbeit und die Beziehung von Mensch und Maschine sind eines der spannendsten und schon seit Jahren meistdiskutierten Themen. Vor allem in der Arbeitswelt übernehmen Computer immer mehr Aufgaben, die bisher von Menschen ausgeführt wurden. Doch ersetzen können sie den Menschen nicht. Es sind vor allem Kreativität und Innovationsgeist, die ihn unverwechselbar und nicht austauschbar machen. Wir sprachen darüber mit dem Bremer Biologen und Hirnforscher Gerhard Roth.

„Man kann Kreativität nicht nachbauen“

Professor Roth, der Mensch lebt im Spannungsfeld von Intelligenz und Kreativität. Was unterscheidet ihn von Maschinen?
Computer sind dem Menschen schon heute in allem überlegen, was man regelhaft („algorithmisch“) erfassen, präzise formulieren und in genauen Schritten festlegen kann – wie das Schachspielen oder Lösen mathematischer Aufgaben. Kreativität hat damit aber nichts zu tun. Sie erwächst aus dem, was wir nicht regelhaft beschreiben können und hat viel mit unbewussten oder vorbewussten intuitiven Dingen zu tun.
Kreativität ist beim Menschen eher die Ausnahme, nicht die Regel. Warum?
Gerhard Roth. Foto: Privat
Wenn es dafür klare Regeln gäbe, könnte jeder kreativ werden. Tatsächlich sind vergleichsweise wenige Menschen kreativ. Kreativität hängt mit Mechanismen im Gehirn zusammen, die Inhalte des Langzeitgedächtnisses auf eine neue und produktive Weise miteinander verknüpfen. Aber wir wissen noch nicht, wie dies genau funktioniert. Noch viel weniger können wir Kreativität „nachbauen“ – zurzeit zumindest. Es wird noch sehr lange dauern bis ein Computer wirklich kreativ denken kann. Wahrscheinlich wollen wir das auch gar nicht, denn es würde uns bedrohen.
Was ist das Besondere an kreativer Begabung, was macht den schöpferischen menschlichen Genius aus?
Intelligenz bedeutet schnelles Lösen von Problem unter Zeitdruck. Wer über ausreichend Erfahrung verfügt – und intelligente Menschen sollten sie mitbringen –, dem fallen Lösungen ein, die auch schon vorhanden sein können. Man muss nur darauf kommen.
Wie in einem neuronalen Speicher, ähnlich wie bei Rechnern.
Um ein Problem zu lösen, das ich bereits gelöst habe, brauche ich nicht besonders kreativ zu sein. Kreativität beinhaltet das Auffinden neuartiger Lösungen. Natürlich muss man dazu auch intelligent sein, aber die Kreativität kommt hinzu. Während umgekehrt viele intelligente Menschen nicht besonders kreativ sind.

„Computer sollen einfach nur funktionieren“

Bei kreativen Menschen spielt Emotionalität, Erfahrung und Intuition eine wichtige Rolle. Da können Computer offenbar nicht mithalten.
Man könnte im Prinzip Emotionalität in Computer einbauen, aber gelungen ist das bisher noch nicht. Viele Computer sollen auch gar nicht kreativ sein, sondern wie mein Laptop einfach nur funktionieren. „Kreative Computer“ wären nämlich solche, die zu ganz anderen Vorstellungen kommen würden als wir. Hinzu kommt, dass Kreativität auf neuartigen Verbindungen zwischen vorhandenem Wissen beruht. Wie das Gehirn das macht, wissen wir nicht und können es deshalb auch nicht nachbauen.
Selbst Sie als Hirnforscher nicht?
Stellen Sie sich einen Denker vor, der lange über etwas nachdenkt, morgens aufwacht und plötzlich hat er die Lösung. Ihm ist das selbst rätselhaft.
Kommen einem solche Geistesblitze urplötzlich oder wird die Lösung im Unterbewussten vorbereitet?
Beides. Wenn jemand nachts aufwacht und plötzlich die Lösung hat, obwohl er das Problem schon längst ad acta gelegt hat, ist das der Aha-Moment. Es gibt auch Assoziationsbrücken, die merkwürdig und nicht zielgerichtet sind. Deshalb kann man auch keine allgemeingültigen Regeln für all diese Vorgänge aufstellen.