Else Lehle mit ehemaligen Flötenschülern in der Gerlinger Realschule. Lehle (hier links im Bild) war bei etlichen Musikwochen dabei. Hier üben die Schüler in den 60er Jahren in der Foto: factum/Granville

Ganz Gerlingen, so scheint es, hat bei Else Lehle das Flötenspielen gelernt. Auch der Landrat Rainer Haas war einst Schüler der 91-Jährigen. Heute spielt sie noch regelmäßig mit Ehemaligen.

Gerlingen - Nein, dass das Flötespielen die eine große Leidenschaft im Leben von Else Lehle ist, das kann man nicht behaupten. Schließlich gibt es da auch noch das Cello, das Lehle lieber spielt, das Klavier und die Gitarre. Und trotzdem kennt man die 91-Jährige in Gerlingen vor allem, weil sie Generationen von Kindern das Flötespielen beigebracht hat. Ob in der Realschule, der Grundschule oder auf Musikwochen – Lehle hat über Jahrzehnte an vielen Stellen das Instrument gelehrt.

Dabei kommt Lehle gar nicht aus Gerlingen, sie hat dort auch nie gewohnt. Ihre Eltern waren zwar aus der Gegend, Lehle, die sich eine „Hochdeutsch sprechende Schwäbin“ nennt, ist aber in Mülheim an der Ruhr aufgewachsen. Zwischendurch hat sie in Berlin gelebt, hat eine Ausbildung in einem Büro gemacht und kam 1946 nach Stuttgart, um Rhythmik zu studieren. Auch das war nicht ihre erste Wahl, Lehle nennt es eine „Verlegenheitslösung“. „In der Uni haben sie Leute gesucht, und für ein Musikstudium hatte ich nicht genug Vorbildung.“ Sie ist in der Region geblieben und hat 1949 geheiratet, ihr Mann verunglückte nur zwei Jahre später tödlich. Heute wohnt Lehle im Kreis Esslingen.

Eher zufällig Flötenlehrerin

Dass sie damals Flötenlehrerin wurde, war nicht geplant. „Die Flöte war günstig“, erklärt Lehle, warum sie sich das Instrument als Kind selbst beibrachte. Nach dem Krieg waren Flötenlehrer rar. 1951 bat sie ein Lehrer der Pestalozzischule, mit seiner Klasse ins Schullandheim zu fahren und mit den Kindern zu musizieren. Das war der Startschuss für den Flötenunterricht. In der Jahnhalle traf sie sich mit den ersten Schülern. Sie fing an, Grundschüler zu unterrichten, später bekam sie einen Lehrauftrag an der Realschule. Sie war eine strenge Lehrerin, so scheint es. „Jeder hatte einen eigenen Tisch und eigene Noten. Da durfte man nicht teilen“, sagt Lehle – wegen der Konzentration. Während der Stunden entging ihr nichts: „Ich konnte die Fehler zwar nicht hören, aber ich konnte sie sehen.“ Auch der Landrat Rainer Haas saß einst bei Lehle im Unterricht. „Bei meinem 90. Geburtstag war er zum Kaffee da.“ Wann Lehle aufgehört hat als Lehrerin weiß sie heute nicht mehr so genau. „Ich habe kein Zahlengedächtnis“, sagt sie.

Vor mehr als 20 Jahren jedenfalls kam ihr die Idee, ehemalige Schüler zusammenzutrommeln. Und so trifft sich seither jeden Donnerstagabend eine Handvoll Ehemaliger aus Backnang, Heilbronn oder Freiburg im ersten Stock der Realschule. Das ist noch heute Lehles Raum, in den Schränken hat sie ihre Notenhefte deponiert. Jeder hat seinen eigenen Tisch, wie damals. Claudia Kofler ist eine derjenigen, die seit vielen Jahren in der Gruppe spielt. „Ich fühle mich immer noch wie ein Schulkind, wenn wir uns treffen“, sagt Kofler und lacht. Autorität hat die ehemalige Lehrerin Lehle auch heute noch. „Da reichen ihre Blicke“, sagt Kofler. Wenn sie donnerstags in Gerlingen ist, übernachtet Lehle in der Krone. Der Inhaberin, Ursula Czaker, hat sie auch das Flöten beigebracht.

Reisen in 57 Länder

Lehle selbst spielt heute nicht besonders oft Flöte. Zuhause geht es nicht, weil die Verwandten, mit denen sie zusammenlebt, das nicht wollen. Aber sie ist in einer Gruppe, die sich einmal die Woche trifft.

Die Musik ist nicht ihr einziges Hobby. Lehle interessiert sich für Geologie und für Geschichte. Das Schicksal von Margarete von Österreich etwa, der musikalischen Erzherzogin Österreichs, kann die 91-Jährige aus dem Effeff erzählen. Und gereist ist sie, in 57 Länder. „ Heute geht das nicht mehr“, sagt Lehle und deutet auf ihre Gehhilfe. Aber früher war in „ganz Europa“ unterwegs, in China, Russland und Afrika. Einmal, das war irgendwo im Nahen Osten, hatte sie eine Tour gebucht. Die Führerin kam ihr bekannt vor: Es war eine ehemalige Schülerin. „Das war damals in Plieningen. Da war ich auch 16 Jahre.“