In Moskau führen Polizisten eine junge Demonstrantin ab. Foto: dpa/Alexander Zemlianichenko

Die brutalen Polizeieinsätze in Russland sind für Kommentator Ulrich Krökel ein Zeichen dafür, dass Staatsoberhaupt Wladimir Putin ratlos reagiert. Der Beginn vom Ende seines Systems?

Moskau - Verblüffend, aber wahr: Wladimir Putin zeigt Schwäche. Am Sonntag gingen in Russland wieder Zehntausende auf die Straße, um ein Zeichen gegen Korruption und Willkürherrschaft zu setzen – und die Freilassung von Alexej Nawalny zu fordern. Der 44-Jährige ist der mit Abstand bekannteste Oppositionelle im Land, über nennenswerten Machtressourcen verfügt er aber nicht.

Er dient dennoch als Projektionsfläche für die Sehnsüchte der Unzufriedenen, vor allem der Jungen. Dagegen wirkt Putin ratlos. Angesichts der Proteste fällt ihm nichts anderes ein, als schwer bewaffnete Sonderpolizisten aufmarschieren zu lassen, die brutal auf Menschen einprügeln und sie wahllos wegsperren. Die sonst so ausgefeilte Steuerung des politischen Prozesses über mediale Manipulation versagt fast vollständig.

Zu bestaunen war das bereits bei den kläglichen Versuchen, die Wirkung von Nawalnys Skandalvideo über „Putins Palast“ zu neutralisieren. „Alles Lüge“, hieß es aus dem Kreml zunächst. Dann nannte Putin die Geschichte „langweilig“. Schließlich gestand einer der reichsten Männer Russlands, ein enger Putin-Freund, er sei der wahre Besitzer der prunksüchtigen Residenz.

Das Problem: Kaum jemand glaubt das noch. Es gelingt Putin auch nicht mehr, sich als „guten Zaren“ inmitten einer korrupten Oligarchenkaste zu inszenieren. Denn YouTube und Instagram schlagen auch in Russland inzwischen das kremltreue Fernsehen. Jedenfalls bei den Jungen, ohne die sich keine Zukunft gestalten lässt. Wenn nicht alles täuscht, hat die Zarendämmerung begonnen.

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