Die Geschäfte in der Königstraße leiden seit Monaten unter der Corona-Krise. Foto: Lichtgut

Die Mehrwertsteuersenkung, mit der die Bundesregierung in der Corona-Krise die Wirtschaft beleben wollte, habe eher nicht gewirkt, sagen Stuttgarter Händler. Und wer sie an die Kunden weitergibt, hat hohe Kosten.

Stuttgart - Wenn es ums Geschäft geht, setzt Manuel Thüring eher auf das Wetter als auf die Berliner Steuerpolitik. „Die Kühle hat uns gut getan“, sagt der Geschäftsführer des Modeladens Abseits am Kleinen Schlossplatz. „Jetzt werden Mäntel und Jacken gekauft.“ Das habe den Umsatz belebt. Anders als die geringfügige Senkung der Mehrwertsteuer im Sommer als Mittel gegen die im Handel grassierende Coronakrise. Von der Senkung habe man „gar nichts bemerkt“, sagt Thüring. „Das war bei den Kunden kein Thema.“ Obwohl das Bekleidungsgeschäft die Reduzierung an die Käufer weitergegeben und dafür das Kassensystem entsprechend geändert hat.

So oder so ähnlich äußern sich auch andere Händler in der Stuttgarter City. „Die Mehrwertsteuersenkung wirkt sich im Handel nicht aus“, sagt Christoph Achenbach von Lederwaren Acker. „Die Beträge sind in der Regel zu gering, sie sind kaum ein Kaufanreiz.“ Lederwaren Acker hat die Steuersenkung wegen des großen Aufwands auch nur indirekt an die Kunden weitergegeben. Man hat bei jedem Einkauf den potenziellen Sparbetrag verdoppelt und dem Kunden als Gutschrift ausgehändigt, als Anreiz wiederzukommen. Die völlige Umstellung der Warenwirtschaft wäre bei rund 26 000 Artikeln viel zu aufwendig gewesen, sagt Christoph Achenbach. Von den Kunden werde man auf das Thema ohnehin „so gut wie gar nicht angesprochen“.

Kleine Geschäfte können sich Preisnachlass nicht leisten

So ist es auch im Modegeschäft von Andrea Scheufler an der Ecke Rotebühlstraße. Sie könne die Steuersenkung gar nicht an die Kunden weitergeben, sagt sie. Bei gleichen Kosten, aber „einem großen Warenstau“ nach dem Lockdown könne sie sich das nicht leisten. Doch ihre Kundinnen störe das nicht. „Wer zu mir kommt, sucht Qualität, keine Schnäppchen“, sagt Andrea Scheufler.

Haushaltswaren Tritschler hat dagegen alle Systeme wegen der Mehrwertsteuersenkung umgestellt und gibt diese „bei jedem Einkauf in jeder Höhe weiter“, sagt Thomas Breuninger, der Geschäftsführende Gesellschafter. Aber auch er vermag nicht zu sagen, ob die Steuersenkung die Nachfrage gefördert hat. „Das ist nicht wirklich spürbar“, sagt er. Nur eines wisse er: „Der Aufwand war riesengroß.“ Die Kunden reagierten „sehr unterschiedlich“ auf die teils sehr geringen Preissenkungen. „Der Großteil nimmt es gar nicht wahr und fragt auch nicht, andere freuen sich, wieder andere sind amüsiert, wenn sie merken, wie gering die Ersparnis ist“, erzählt Thomas Breuninger. Dennoch ist der Geschäftsführer optimistisch, dass die Maßnahme doch noch Nachfrageeffekte zeitigen könnte. „Vielleicht werden wir das im Weihnachtsgeschäft spüren“, hofft Breuninger.

Handelsverband fordert Verlängerung

Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg, sieht durchaus positive Effekt der Steuersenkung. Bei „volumigen, größeren Anschaffungen wie Elektronikartikeln und Möbeln“ habe diese die Nachfrage durchaus belebt. „Da sind 2,5 Prozent besser als nichts“, sagt Hagmann. Angesichts des großen Umstellungsaufwands für die Geschäfte und der großen Herausforderungen auch im kommenden Jahr wünscht sich Hagmann, „dass die Maßnahme über den 31. Dezember hinaus verlängert wird“.

Dem Stuttgarter City-Manager Sven Hahn wäre wichtiger, dass sowohl der Weihnachtsmarkt als auch im nächsten Jahr mehr Veranstaltungen stattfinden. Nur so kämen mehr Menschen und damit potenzielle Käufer in die Stadt. Derzeit liege die Frequenz am Samstag auf der Königstraße bei etwa zwei Drittel der früher rund 90 000 Besucher.