Die Becher von Recup gibt es mit oder ohne Deckel und in verschiedenen Größen. In Stuttgart bekommt man die Mehrwegbecher inzwischen schon in 71 Cafés, Bäckereien und Restaurants. Hier bei Laura Martin in der Kaffeebar Tiffin. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Anfang Oktober hat die Stadt Stuttgart gemeinsam mit Recup ein Pfandsystem für Kaffeebecher auf den Weg gebracht. Die Firma soll in Stuttgart ein bislang einmaliges Spül- und Transportsystem aufbauen. Wie lief der erste Monat? Und wo bekommt man in Stuttgart nun Kaffee im Mehrwegbecher?

Stuttgart - Wer in Stuttgart gerne Kaffee zum Mitnehmen kauft, hat in den vergangenen Wochen womöglich eine Veränderung bemerkt: Mehr Cafés bieten inzwischen Pfandbecher in mintgrün oder hellbraun an – den sogenannten Recup. Am 7. Oktober ist ein Kooperationsprojekt der Stadt Stuttgart mit der Münchner Firma Recup gestartet, das die Nutzung von Pfandbechern in der Landeshauptstadt steigern soll.

Was hat sich seit Oktober geändert – und wo gibt es Recup in Suttgart?

Seither sind in Stuttgart weitere 21 Cafés, Restaurants, Bäckereien und Mensen in den Becher-Kreislauf eingestiegen. Mittlerweile sind insgesamt 71 Gastronomen beteiligt. Laut Stadt, Tendenz steigend. „Es läuft wirklich sehr gut an“, sagt eine Recup-Sprecherin – wohl auch, weil die Stadt viel Werbung mache und Aufmerksamkeit für das Thema kreiere. Die Steigerung der Ausgabestellen in dieser kurzen Zeit stärker als in manch anderer Stadt. In einer Ausschreibung hatte Recup den Zuschlag in Stuttgart bekommen. Für das Unternehmen ist es die bisher größte städtische Kooperation, auch einen Zuschuss in der Höhe habe man bisher nicht gehabt.

Welche Gastronomen die Mehrwegbecher nun tatsächlich anbieten, kann man auf der Recup-Website oder in einer entsprechenden App nachverfolgen. In den beteiligten Cafés oder Bäckereien weisen Schilder oder Aufsteller auf die Möglichkeit hin. Auch in der Region – etwa in Böblingen und Ludwigsburg – gibt es einige Ausgabestellen.

Wie funktioniert das Recup-Prinzip?

Wer einen Kaffee-to-Go im Mehrwegbecher haben möchte, zahlt beim Kauf einen Euro Pfand. Cappuccino und Co. werden dann direkt in einen der sauberen Kunststoffbecher gefüllt. Den Pfandbecher kann man später in irgendeinem der teilnehmenden Cafés oder Restaurants wieder zurückgeben – gegen den ausgelegten Euro oder einen neuen Becher. Die Kunststofftassen werden von den Gastronomien dann selbst gespült und wieder in Umlauf gebracht. Bis zu 500 Befüllungen halten sie laut Hersteller aus. Zudem bestehe die Überlegung, mittelfristig auch Rückgabeautomaten im Stadtgebiet aufzustellen, sagt ein Sprecher der Stadt Stuttgart.

Wer zu den pastellfarbenen Kunststoffbechern auch einen Deckel benötigt, muss diesen kaufen. Die jeweilige Ausgabestelle legt den Preis für die Deckel selbst fest, meist kosten sie etwa 1,30 Euro. Eine Pfandlösung für die Deckel gibt es bislang nicht. Recup begründet das unter anderem damit, dass die teilnehmenden Cafés sich einen Pfanddeckel nicht vorstellen konnten, weil es den Aufwand weiter erhöhen würde. Das Problem ist aus Sicht der Gastronomen: Die Kunststoffdeckel würden in den gängigen Spülmaschinen kaum richtig sauber, die nötigen hygienischen Bedingungen zu garantieren würde dadurch schwer.

Wie läuft das Pfandsystem für Cafés und andere Betriebe?

Für die Becher an sich entstehen den Gastronomen nach Angaben der Stadt keine Kosten. Sie hinterlegen für die Becher je einen Euro Pfand bei Recup. Wenn ein Cafébetreiber einen dieser Pfandbecher ausgibt, hat er den Euro wieder drin. So funktioniert das Kreislaufsystem. Allerdings zahlen die Cafés für die Teilnahme daran eine monatliche Gebühr an Recup. Sie liegt – je nach Laufzeit des Vertrags – zwischen 25 und 45 Euro im Monat und umfasst das Leihen, Nutzen, Zurückgeben der Kunststoffbecher sowie Werbematerial. Die Stadt Stuttgart fördert die ersten 100 neuen Ausgabestellen mit einem Starterpaket. Dieses enthält 100 Recup-Mehrwegdeckel und einen Gutschein für den Recup-Shop. Die Stadt investiert zudem in eine Info-Kampagne.

Noch läuft das Kreislaufsystem in der Stadt aber nicht immer überall ganz reibungslos. „Das Interesse daran ist zwar groß, aber viele Kunden bringen die Pfandbecher erst einmal nicht zurück“, sagt Laura Martin von der Kaffeebar Tiffinam Stuttgarter Feuersee. Sie musste deshalb immer mal wieder Becher nachbestellen – und dafür die Kosten vorstrecken. Auch andere Betriebe wie die Rote Kapelle am Feuersee oder Harrys Kaffeerösterei haben diese Erfahrung gemacht, und ein paar Kaffeekunden bestätigen: Nicht immer denke man am nächsten Tag daran, den Becher wieder einzupacken und zurückzubringen – manchmal stehe er eine ganze Weile im Küchenschrank. „Ich hoffe, dass das irgendwann selbstverständlicher wird für die Leute“, sagt Laura Martin. In den Mensen und Cafeterien des Studierendenwerks Stuttgart dagegen funktioniert der Kreislauf schon ganz gut: 1233 Recup-Becher werden hier pro Tag ausgegeben, 1065 kommen auch wieder zurück. Und Benjamin Martin vom Café Gustav sagt: „Immer mehr Leute kennen das System und machen mit, dadurch funktioniert auch der Kreislauf immer besser.“

Werden die Mehrwegbecher wirklich häufiger genutzt?

Häufig müsse man das Prinzip erst noch erklären, weil viele Recup noch nicht kennen, sagen mehrere der befragten Gastronomen. Sie merken aber auch: „Es wird mehr.“ Seit Mitte Oktober haben auch die Mensen und Cafeterien des Studierendenwerks Stuttgart die Recup-Becher an ihren Theken. „Wir haben durchweg positives Feedback dazu bekommen“, sagt Andreas Grafmüller, Leiter Gastronomie im Studierendenwerk Stuttgart. 79 Prozent der Heißgetränke wurden seit Einführung von Recup insgesamt im Mehrwegbecher verkauft, so zeigen Zahlen des Studierendenwerks. Dies können neu erworbene Recup-Becher oder selbst mitgebrachte Kaffeebecher sein. Nur noch 21 Prozent der Getränke gehen seither im Einwegbecher über die Theken. Langfristig könnten die Pappbecher aber ganz verschwinden, so Grafmüller. Mit der Einführung von Recup habe man „eine zusätzliche, attraktive Möglichkeit geschaffen, auf Mehrwegbecher umzusteigen – auch wenn man den eigenen Mehrwegbecher mal vergessen hat.“ Dass man die Becher in vielen Betrieben abgeben könne, mache es Verbraucherinnen und Verbrauchern einfach, sagt Grafmüller. „Hinzu kommt, dass im Laufe des kommenden Jahres stadtweit Rückgabeautomaten für die Recup-Becher aufgestellt werden sollen.“

Was ist für die Zukunft in Sachen Recup konkret geplant?

Das Angebot in Stuttgart soll über das hinausgehen, was die Firma Recup bislang in anderen Städten anbietet. Das heißt: In der Landeshauptstadt sollen ein lokaler Spüldienst sowie ein Transportsystem entwickelt werden. Die Idee dahinter: Nicht alle Verkaufsstellen von Coffee-to-Go haben eine Spülmöglichkeit – zum Beispiel Kioske oder Verkaufsstände an Bahnhöfen. Damit auch diese zukünftig Teil des Kreislaufsystems werden können, ist aus Sicht der Stadt ein Spüldienst nötig. Erste Gespräche mit lokalen Dienstleistern und potenziellen Kooperationspartnern, um solch einen Dienst umzusetzen, würden bereits geführt, sagt ein Stadtsprecher. Außerdem könnte ein Transportsystem – womöglich mit Fahrradkurieren – dafür sorgen, dass Becher aus den Rückgabeautomaten, die mittelfristig aufgestellt werden sollen, zurück zu den Cafés kommen.

Zudem sollen noch mehr Partnerbetriebe für das System gewonnen werden. Man habe die aktive Ansprache einzelner Gastronomen jetzt erst gestartet, so der Sprecher der Stadt. Man sei guter Dinge, dass die Partnerzahl in den kommenden Wochen und Monaten weiter ansteigen werde, die Resonanz sei gut. Nicht alle Cafés in der Stadt kennen das System schon, auf Nachfrage sagen etwa das Café Königsbau und das Café Treppe aber, dass man bereit sei mitzumachen.

Wie viel Geld bezahlt die Stadt Stuttgart dafür?

Die Stadt wollte ein Mehrwegbecherpfandsystem einführen und hat dafür ein wettbewerbliches Auswahlverfahren durchgeführt. Recup erhielt den Zuschlag – und einen einmaligen Zuschuss der Stadt von 107 000 Euro. Wie und wofür die Firma das Geld verwenden darf, ist vertraglich festgelegt. Ein Großteil fließt nach Angaben des Stadtsprechers in zwei neue Personalstellen bei Recup, die für die Einführung des Pfandsystems in Stuttgart notwendig seien: ein Vertriebsmitarbeiter und ein Projektmanager für den Aufbau der lokalen Spül- und Transportlogistik. „Ein solches Konzept ist in Deutschland bislang einmalig“, sagte der Stadtsprecher. Außerdem hat der Gemeinderat beschlossen, dass weitere 100 000 Euro für Beratungsdienstleistungen und begleitendes Marketing der Landeshauptstadt ausgegeben werden darf.

Welche Kritik an Recup oder dem Pfandsystem gibt es?

Für kleine Läden sei die Teilnahme am Pfandsystem durchaus ein Kostenfaktor, sagt Laura Martin von der Kaffeebar Tiffin. „Ich sehe das als Investition in eine gute Sache – irgendjemand muss ja mal anfangen mit der Müllvermeidung.“ Trotzdem hat sie für sich beschlossen, nach einem Jahr Laufzeit zu prüfen, ob das Ganze wirklich funktioniert. Auch Senay Celik aus dem Kiosko ein paar Straßenecken weiter spricht die monatliche Teilnahmegebühr an, die die Gastronomen aus eigener Tasche bezahlen müssen. Doch die Nachfrage von Kundinnen und Kunden nach einem Mehrwegbecher war zuletzt groß, sagt sie, also haben sie sich auch in dem kleinen Café für die Teilnahme am Recup-System entschieden.

Warum das Ganze überhaupt?

320 000 Einwegbecher pro Stunde werden in Deutschland täglich verbraucht, hat die Deutsche Umwelthilfe berechnet. In Stuttgart sind es am Tag rund 80 000, heißt es von der städtischen Wirtschaftsförderung. Wegen der Kunststoffbeschichtung im Inneren können Becher kaum vollständig recycelt werden, der Großteil landet am Ende in der Verbrennung. Die Stadt Stuttgart sieht hier dementsprechend großes Potenzial, um Müll und Ressourcen zu sparen. Denn für die Herstellung der Einwegprodukte werden werden Tonnenweise Papier, Kunststoff und viele Kilowattstunden Energie fällig und somit viele CO2-Emissionen. Knapp 30 000 Tonnen Papier sind jährlich für solche Pappbecher, so die Deutsche Umwelthilfe – das sind etwa 43 000 gefällte Bäume. Recyclingfasern kommen demnach für die Pappbecher kaum zum Einsatz, weil die Fasern kurz und zudem häufig mit Druckrückständen und Chemikalien belastet sind. Die Lebensdauer solcher Becher ist mit rund 15 Minuten aber sogar kürzer als jene von Plastiktüten. Mehrwegbechersysteme haben laut einer Studie des Umweltbundesamts dagegen eine deutlich bessere Ökobilanz – sofern die Becher tatsächlich mehrfach eingesetzt werden.