Die Union will den Doppelpass wegen Erdogans Provokationen wieder abschaffen. Foto: dpa

Seit 2014 müssen sich junge Menschen mit ausländischen Wurzeln unter bestimmten Bedingungen nicht mehr für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Die CDU will laut Parteitagsbeschluss wieder ein Bekenntnis für eine Nationalität erzwingen. Da würde neben der CSU aber wohl nur die AfD mitmachen.

Berlin - Der Doppelpass war ein rot-grünes Projekt. Bis zum Jahr 2000 galt die Regelung: Deutscher ist, wenn mindestens ein Elternteil einen deutschen Pass hat. Wer mindestens 15 Jahre legal im Land war, konnte sich einbürgern lassen. Rot-Grün setzte dann durch, dass ab 1990 in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern automatisch deutsche Staatsbürger wurden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt wurden. Allerdings sollten sich die Heranwachsenden spätestens im Alter von 23 Jahren für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. In der großen Koalition setzte die SPD 2014 durch, dass diese Optionspflicht gestrichen wurde. Die Union hat sich damit nie abgefunden. Im Dezember beschloss der CDU-Parteitag, sich für die Abschaffung einzusetzen – gegen den Willen von CDU-Chefin Angela Merkel.

Wie lauten die Argumente?

Die Befürworter feiern den Doppelpass als endgültige Abkehr vom alten Blutsrecht, das die Staatsangehörigkeit letztlich von der Abstammung abhängig macht. Außerdem werten sie die Reform als Beitrag zur Integration, auch deshalb, weil Ausländer eben gerade nicht gezwungen werden, sich für eine von beiden Kulturkreisen entscheiden zu müssen und diese Liberalität Deutschland positiv angerechnet werde, das ihnen den Doppelpass zugesteht. Die Gegner des Doppelpasses fordern eben diese Entscheidung als Loyalitätsnachweis ein, weil ja auch umgekehrt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan absolute Loyalität zur Türkei von den Deutschtürken verlange. Ankara interessiert der deutsche Pass nicht, es betrachtet Deutschtürken ausschließlich als Bürger des eigenen Landes, weshalb das Auswärtige Amt derzeit keine Möglichkeit eingeräumt bekommt, den inhaftierten Journalisten Deniz Yücel konsularisch zu betreuen.

Wie viele Doppelpässe gibt es überhaupt?

Das ist eine schwierige Frage, denn laut Statistischem Bundesamt wissen offenbar viele Menschen gar nicht, dass sie eine doppelte Staatsbürgerschaft haben. Von den rund 1,5 Millionen Türken in Deutschland gaben beim Mikrozensus 2015 lediglich 246000 an, sie hätten auch einen deutschen Pass. Die tatsächliche Zahl dürfte demnach deutlich größer sein. Übrigens verfügen auch 228000 Russen über einen deutschen Pass. Sie stellen laut Mikrozensus die zweitgrößte Gruppe.

Kann die Union eine Mehrheit für die Abschaffung des Doppelpasses organisieren?

Nur wenn sie mit der AfD nach der Bundestagswahl gemeinsame Sache macht, denn jenseits der Union wollen alle im Bundestag vertretenen Parteien und auch die FDP bisher am Doppelpass festhalten. Sie sehen keinen Zusammenhang zwischen Erdogans Provokationen und dem Staatsbürgerschaftsrecht. Da die Union bisher eine Koalition mit der AfD ausschließt, wird die Debatte über den Doppelpass also vermutlich auf absehbare Zeit zu keinerlei Veränderung führen.

Was passiert, wenn der Doppelpass tatsächlich abgeschafft und die Optionspflicht wieder eingeführt wird?

Theoretisch wäre das möglich. Experten gehen davon aus, dass dann die meisten Deutschtürken sich für den türkischen Pass entscheiden werden, was sich natürlich wegen der unsicheren Entwicklung in der Türkei und die Aussicht auf Wehrdienst in umkämpften Gebieten ändern könnte. Interessant wäre die Reaktion der Türkei. Erdogan könnte ja seinerseits eine Reform auf den Weg bringen, mit dem Ziel, die eigenen Landsleute nicht mehr aus der türkischen Staatsbürgerschaft zu entlassen. Länder wie Togo, Tunesien oder Bolivien haben bereits solche Regeln, sie entlassen ihre Bürger nicht aus der Staatsbürgerschaft, auch wenn die das wollen. Weshalb Bürgern aus diesen Ländern das deutsche Recht automatisch einen Doppelpass zugesteht. Auf diese Weise könnte also auch Erdogan den Doppelpass erzwingen, egal, was die Union davon hält.