Die baden-württembergische Tierschutzbeauftragte Cornelie Jäger mit ihrer Labrador-Hündin Chrissie. Foto: Stanek/Landestierschutzbeauftragte BaWü

Die baden-württembergische Tierschutzbeauftragte Cornelie Jäger fordert einen Sachkundenachweis für Tierhalter und klare Mindeststandards bei der Haltung von Heimtieren.

Frau Jäger, sollte man es sich nicht besser vorher überlegen, ob einem die Haltung eines Tieres über den Kopf wachsen könnte?
Das ist meine auch Hauptforderung. Bevor man sich ein Tier anschafft, sollte man genau prüfen, wie ernsthaft man in eine Tierhaltung einsteigen möchte. Häufig sind es Spontankäufe und mangelnde Sachkunde, die zum Problem werden. Mein Appell: Lieber noch einmal nachdenken, bevor man sich ein Tier anschafft.
Klingt vernünftig. Aber wie wollen Sie das ohne allzu großen Druck auf die Bürger durchsetzen?
Wir sollten diese Forderung mit Augenmaß umsetzen. Man kann potenziellen Tierhaltern zumuten, dass sie ein oder zwei Stunden eine Schulung besuchen, bevor sie eine komplett neue Tierart erwerben. So würden sie die Grundlagen der Tierhaltung erlernen und sich die Anschaffung eines Tieres vielleicht noch mal überlegen. Besser man schläft noch eine Nacht drüber und entscheidet sich dann.
Was meinen Sie mit „Augenmaß“?
Ich bin zum Beispiel nicht dafür, Tierarten komplett für Privathaltungen zu verbieten oder überhaupt nur noch bestimmte Arten zu erlauben. Aber was ich fordere, sind ein Mindestmaß an Sachkunde vor dem Tierkauf und klare Mindeststandards für die Haltungen. Selbstverständlich braucht niemand, der drei Rennmäuse halten will, tagelange Schulungen.
Der Zoofachhandel wäre von dieser Idee wenig begeistert. Staatliche Vorgaben könnten ihm das Geschäft vermiesen.
Das eigentliche Ziel ist nicht zu reglementieren, sondern für die Tiere zu sorgen. Die Einstiegsschwelle bei der Tierhaltung ist oft viel zu niedrig. Im Zoohandel kauft man ein Tier, Käfig und Zubehör gibt es preisgünstig dazu. Häufig überblicken die Leute nicht, wie lange sie sich an ein Tier binden und welche Folgekosten entstehen.
Verstehe ich Sie richtig: Sie plädieren für einen Tierhalter-„Führerschein“?
Das wird leider oft so apostrophiert und damit vorschnell ins Lächerliche gezogen.
Was ich nicht beabsichtige . . .
. . . Ich persönlich bin für eine Sachkunderegelung mit Augenmaß und gesellschaftlicher Akzeptanz. Man könnte zum Beispiel bei den exotischen Tieren Erfahrungen damit sammeln und sehen, ob dadurch ein besserer Schutz der Tiere entsteht. Wichtig wäre, dass der künftige Tierhalter oder die Tierhalterin vor der Anschaffung der Tiere noch einmal über die eigenen finanziellen und zeitlichen Möglichkeiten nachdenkt. Das wäre zugleich eine sinnvolle Maßnahme, um Spontankäufe zu verhindern.
Wäre das verpflichtend wie der Autoführerschein oder freiwillig?
Ich würde nicht viel auf die amtliche Schiene setzen, aber trotzdem ein Mindestmaß an Verbindlichkeit anstreben. Der Zoofachhandel könnte selbst solche Kurse anbieten, um über die speziellen Bedürfnisse von Tieren zu informieren. Das müsste auch in seinem Interesse sein. Es könnte beispielsweise anschließend einen Rabatt beim Kauf von Futter oder ähnlichem geben und so sogar Kunden binden. Das habe ich dem Zoofachhandel schon vor Jahren ans Herz gelegt.
Ist das nur eine fixe Idee von Ihnen oder arbeiten Sie und Ihre Stabsstelle bereits an einem konkreten Projekt?
Ja, wir arbeiten an diesem Projekt! Aber wir warten noch auf den klaren politischen und gesellschaftlichen Auftrag, Mindeststandards für die Sachkunde, Zucht und Haltung von Heimtieren fertigzustellen. Eine solche Regelung muss auf breite Akzeptanz stoßen, sonst verpufft ihre Wirkung.
Welche Rolle spielt dabei die grün-rote Landesregierung, die sich den Tierschutz ganz besonders auf die Fahnen geschrieben hat?
Badern-Württemberg kann nur als Ideenschmiede tätig werden. Letztlich muss das Thema bundesweit geregelt werden, weil es keine Rechtssetzungskompetenz der Länder dafür gibt.
Wie wollen sie verhindern, dass die Freude an Tieren nicht in Bürokratie versinkt?
Diese Befürchtung ist völlig unbegründet. Es geht mir überhaupt nicht darum, jede Art von Tierhaltung zu kontrollieren, sondern Auswüchse zu verhindern und den präventiven Effekt solcher Regeln zu nutzen und zu stärken. Das ist auch ohne großen bürokratischen Aufwand möglich.
Rechnen Sie mit politischen Widerstand, schließlich ist im März 2016 Landtagswahl?
An meinem Vorschlag werde ich in jedem Fall weiter arbeiten. Im Augenblick werden allerdings schon viele kritische Stimmen laut. Das finde ich bedauerlich, weil diejenigen, die sich jetzt schon äußern, noch gar nicht gesehen haben, dass wir selbstverständlich mit Augenmaß vorgehen. Noch mal: Es geht darum, klare Mindeststandards für eine tiergerechte Heimtierhaltung zu formulieren, die dann jeder Tierhalter selbst und frühzeitig in seine Überlegungen einbeziehen kann und sollte. Ob wir am Ende Zustimmung und Mehrheiten für unsere Vorstellungen bekommen, wird sich noch herausstellen müssen.
Wann wollen sie diese Heimtierschutzverordnung vorstellen?
Da unsere Zeitpläne permanent durch akute Ereignisse über den Haufen geworfen werden und wir unbedingt Experten einbinden wollen, kann ich leider nicht sagen, wann ein zufriedenstellender Text vorliegen wird . . .
. . . Aber doch spätestens bis zur Landtagswahl?
Wer mich kennt, weiß, dass ich ziemlich beharrlich an solchen Projekten arbeite – bis sich Lösungen abzeichnen.
Das klingt sehr diplomatisch. Welche Punkte soll das Regelwerk denn umfassen?
Natürlich die Grundprinzipien für eine tiergerechte Haltung der Exoten und Wildtiere und sicherlich sehr viele exotenspezifische Hinweise.
Wer macht bei Ihrem Projekt noch mit?
Wir arbeiten eng mit Verbänden, die sich mit der Heimtierhaltung befassen, den Tierärztekammern, erfahrenen Kollegen und allen interessierten Stellen zusammen. So hoffen wir auf eine breite Diskussion und möglichst viele, die sich mit ihrem Sachverstand einbringen.
Die Politik haben Sie nicht erwähnt. Bewusst? Gibt es Blockaden – etwa seitens der Landesregierung?
Es geht weder um Schuldzuweisungen noch um behördliche Reglementierungen noch darum, den Menschen die Freude an Tieren zu verderben. Wir wollen Unglück in den Familien abmildern oder verhindern. Wenn man mit einem Tier überfordert ist, verursacht das am Ende sehr viel Ärger, Frust und Kosten.
 

Zur Person: Cornelie Jäger

1967 in Tübingen

Studium der Veterinärmedizin und anschließende Promotion in Gießen

Ab 2003 Tätigkeit in der Veterinärverwaltung in Baden-Württemberg und Thüringen

Seit 2012 Landesbeauftragte für Tierschutz des Landes Baden-Württemberg