Die Lunge ist ein sensibles Organ – manche spüren das erst, wenn es fast schon zu spät ist. Foto: Fotolia

Die chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung (COPD) ist weltweit die dritthäufigste Todesursache. Eine frühzeitige Behandlung kann den Leistungsverlust der Lunge abschwächen.

Stuttgart - Mehr als drei Millionen Menschen sterben weltweit jedes Jahr an COPD. Hinter dem Kürzel verbirgt sich eine chronisch-entzündliche Erkrankung der unteren Atemwege mit vielfältigen Syptomen. „Es gibt ein sehr großes Spektrum an klinischen Erscheinungsformen mit diversen Begleiterkrankungen wie Osteoporose und Muskelschwund“, sagt Berthold Jany, Leiter der Abteilung Innere Medizin des Klinikums Würzburg-Mitte am Standort Missioklinik. Bei einem Teil der Patienten bestimmen die entzündeten Atemwege, die wie bei einer chronischen Bronchitis mit starkem morgendlichem Husten und Auswurf einhergehen, das Krankheitsbild.

Bei anderen Patienten ist die Lunge aufgebläht, ein sogenanntes Lungenemphysem hat sich gebildet. Die sonst durch Trennwände voneinander getrennten Lungenbläschen, die für den Austausch von Kohlendioxid gegen Sauerstoff zuständig sind, verschmelzen zu einer großen Blase. Zwischen den beiden genannten Patientengruppen gibt es sehr viele Betroffene, die beide Ausprägungen in unterschiedlichem Ausmaß haben. Letzlich leiden aber alle an Atemnot – mit gravierenden Folgen: Wer kaum Luft bekommt, schränkt die körperliche Bewegung ein und baut Muskulatur ab, die auch für die Unterstützung des Atmungsvorgangs wichtig wäre. Man bewegt sich noch weniger – ein Teufelskreis. In schweren Fällen muss der Betroffene irgendwann ein Sauerstoffgerät im Rucksack mit sich tragen.

„Während in westlichen Ländern das inhalative Zigarettenrauchen der Hauptrisikofaktor für COPD ist, sind es in Entwicklungsländern Asiens und Afrikas das Indoor-Cooking und Holzfeuer“, sagt Jany, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) ist. 40 bis 50 Prozent der Langzeitraucher bekommen irgendwann eine COPD. Etwa 25 Prozent der COPD-Patienten im Stadium II oder höher haben dagegen nie geraucht. Jany empfiehlt jedem Raucher eine Messung der Lungenfunktion – „und zwar auch dann, wenn er noch keine Beschwerden hat“. Die meisten nähmen die frühen Symptome einer Lungenerkrankung wie Raucherhusten gar nicht wahr, „weil sie sich schon daran gewöhnt haben.“

Die Basis wird oft früh gelegt

Neben dem Rauchen spielen auch Feinstäube und Industrieabgase eine wichtige Rolle. „Es ist jedoch davon auszugehen, dass es weitere Risikofaktoren gibt“, sagt Klaus Rabe, Ärztlicher Direktor der Lungen-Clinic Großhansdorf. Offenbar wird bei einigen Patienten die Basis für eine COPD bereits sehr früh gelegt. Rabe zählt mögliche Faktoren auf, deren Effekte sich addieren können: Eine bereits im Mutterleib beeinträchtigte Lungenentwicklung, eine genetisch bedingt kleine Lunge, viele Atemwegsinfekte in der Kindheit, ein früh beginnendes nichtallergisches Asthma. Wichtig sei auch die Frage, wie gut die Entgiftungsmechanismen der Lunge funktionieren.

Hinzu kommen genetische Faktoren. Manche Menschen haben von Geburt an zu wenig Alpha-1-Antitrypsin. Dieses blockiert eiweißabbauende Enzyme und verhindert so, dass das Lungengewebe geschädigt wird. Glücklicherweise lässt sich ein Mangel an diesem Enzymblocker medikamentös ausgleichen.

Bei manchen Betroffenen dümpelt die Erkrankung vor sich hin, bei anderen kommt es dagegen gleich dreimal im Jahr zu einer Phase, in der sich die Beschwerden massiv verschlimmern, im Fachjargon Exazerbation genannt. Die Lungenfunktion lässt deutlich nach und ein Krankenhausaufenthalt ist nötig. Nicht selten wird die Exazerbation durch Infektionen – etwa mit Pneumokokken – oder Begleiterkrankungen wie Herzproblemen befördert.

Kaum qualifzierte Reha-Einrichtungen

„Eine Exazerbation bedeutet auch, dass die körperliche Leistungsfähigkeit einbricht. Die Betroffenen müssen danach erst einmal wieder beweglich werden“, so Rabe. Deshalb sollte dem Klinikaufenthalt eine Rehabilitation folgen. Doch nur fünf bis zehn Prozent der Patienten bekommen eine stationäre Rehabilitation, um Muskelkraft und Atempumpe zu stärken. „Das sind viel zu wenige“, sagt Jany. Leider gebe es bislang kaum qualifizierte Rehabilitationseinrichtungen für Lungenerkrankungen. Dabei bringe eine qualifizierte Reha mehr als Medikamente. Optimal sei beides zusammen.

„Wir sind heute in der Lage, eine COPD durch die richtige Therapie zu verbessern“, ermutigt der Mediziner alle Betroffenen. Die erste Maßnahme bei Rauchern mit COPD sei aber der Rauchstopp. Je früher, desto besser. „Ganz wichtig ist es auch, Begleiterkrankungen aufzuspüren und gut zu managen“, empfiehlt Rabe. Körperliche Aktivität und Konditionsaufbau – etwa im Rahmen einer Lungensportgruppe – könnten die Belastungsgrenze auch ohne Medikamente deutlich erhöhen.

Kortison hat an Bedeutung verloren

Was ist ansonsten möglich? Dreh- und Angelpunkt seien Bronchodilatatoren – Medikamente, die die Muskelspannung in den Bronchien herabsetzen. Diese können vorbeugend und auch während einer Exazerbation die Bronchien erweitern und der Überblähung der Lunge entgegenwirken. Die Atemnot wird so abgewendet. Inhalierbares Kortison hat bei COPD an Bedeutung verloren. „Sprays mit inhalierbarem Kortison helfen nur bei Patienten mit schweren Exazerbationen“, betont Jany. Dominiert dagegen die Bronchitis die COPD, „dann könnte entzündungshemmendes inhalierbares Kortison richtig sein“, sagt Rabe.

Die Therapie müsse individuell auf den jeweiligen Patienten abgestimmt werden, sagen beide Experten. Teilweise ist es inzwischen möglich, kleine Ventile in die Bronchien einzubauen, die diese offenhalten. Um die Atempumpe während einer Exazerbation zu entlasten, empfiehlt Jany auch eine nächtliche Beatmung mit Atemmaske. „Eine Studie hat gezeigt, dass beatmete Patienten länger leben“, sagt Jany. Bei schwerer COPD mit Sauerstoffmangel ist eine Sauerstofflangzeittherapie möglich. Ratsam ist zudem eine Impfung gegen Grippeviren und Pneumokokken.

So wird die Lungenfunktion geprüft

Kapazität
Die Lungenfunktionsprüfung stellt den Zustand der Atemwege von Patienten fest und bestimmt die Leistungsreserven der Lunge. Bei Lungenerkrankungen wie COPD sind die Werte verändert. Weil hier die Bronchien verengt sind, verringert sich die sogenannte Einsekundenkapazität und der Atemwiderstand erhöht sich. Unter Einsekundenkapazität versteht man die Luftmenge, die ein Patient nach vollständigem Einatmen innerhalb einer Sekunde so schnell wie möglich wieder ausatmen kann.

Lungenvolumen Bei einem Lungenemphysem ist ein Teil des gasaustauschenden Gewebes zerstört. Dadurch erhöht sich das sogenannte Residualvolumen, die Einsekundenkapazität geht zurück und der Gasaustausch ist eingeschränkt. Der Begriff Residualvolumen bezeichnet die Menge an Atemluft, die ständig in der Lunge vorgehalten wird. Je nach Alter beträgt diese Menge zirka 1,5 Liter.