Fechter Max Hartung ist Präsident der Vereinigung „Athleten Deutschland“. Foto: dpa/Jan Woitas

Die Entscheidung von Fechter und Athletenvertreter Max Hartung zum Olympia-Verzicht verdient allergrößten Respekt und sollte Nachahmer finden, meint Sportredakteur Jochen Klingovsky.

Stuttgart - Die Corona-Krise, da sind sich die Experten einig, wird die Welt auch Ende Juli noch in Atem halten. Und wenn nicht? Wäre es trotzdem absurd, in Tokio Olympische Spiele auszutragen. Weil die Pandemie schon jetzt vieles zerstört hat, was zum größten Sportfest des Planeten gehört: geordnete Qualifikationswettkämpfe, uneingeschränkte Trainingsmöglichkeiten in der Vorbereitung, ein funktionierendes Doping-Kontrollsystem. Fairness? Gerechtigkeit? Chancengleichheit? Kann es nicht mehr geben, und daran lässt sich auch nichts ändern.

Immer mehr Athleten, Trainer und Funktionäre haben das begriffen, nur das Internationale Olympische Komitee (IOC) weigert sich, die Realität anzuerkennen. Dessen Boss Thomas Bach faselt immer noch davon, dass eine verantwortungsvolle Austragung der Sommerspiele 2020 weiterhin möglich und eine Verschiebung noch kein Thema sei. Das ist natürlich blanker Unsinn, was die Herren der Ringe nun von einem deutschen Fechter hieb- und stichfest aufgezeigt bekommen. Max Hartung, viermaliger Europameister, Präsident der Vereinigung „Athleten Deutschland“ und längst für Olympia 2020 qualifiziert, hat jetzt erklärt, auf keinen Fall in Tokio starten zu wollen – es sei zwar zum Heulen, aber nur so könne er als Sportler dazu beitragen, dass die Corona-Pandemie schnell vorbeigeht.

Lesen Sie mehr: Clemens Prokop kritisiert das IOC im Interview deutlich

Es ist eine Entscheidung, die allergrößten Respekt verdient. Hartung macht deutlich, was einen mündigen, klugen, selbstbestimmten Athleten ausmacht: Haltung, Herz, Hingabe. Der Sprecher der deutschen Sportlerinnen und Sportler wird seiner Rolle als Vorbild und Vorkämpfer vollauf gerecht. Und er zeigt zugleich auf, welche Chance die Krise den Athleten bietet.

Noch fordern viele potenzielle Olympia-Starter vom IOC, endlich für Klarheit zu sorgen. Sie wünschen sich, dass ihnen die Last einer womöglich sinnlosen Vorbereitung genommen wird. Und sie hoffen auf einen Plan B: die Verschiebung. Dabei hätten sie selbst es in der Hand, die Hinhaltetaktik von Thomas Bach und seinem olympischen Zirkel zu beenden - indem sie handeln wie Max Hartung.

Würden sich die Athleten verbünden und gemeinsam erklären, dieses unwürdige Spiel des IOC nicht mehr mitzumachen, ist eine Verschiebung unumgänglich. Zugleich wäre dies ein immens wichtiges Zeichen der Sportstars an die IOC-Entscheider: Seht her! Olympische Spiele sind nur mit uns möglich - aber niemals gegen unsere Interessen, zu denen zum Beispiel auch eine angemessene Beteiligung an den Milliarden-Gewinnen im Zeichen der Ringe gehört. Und es wäre zudem auch noch eine Machtdemonstration, bei der die Athleten nicht mal das Risiko eingehen, viel zu verlieren: denn Tokio 2020, das ist wegen des Coronavirus jetzt schon klar, kann ohnehin kein ungetrübtes Fest des Sports mehr werden.