Der Schauspieler Mathieu Carrière kann auf eine große, aber auch wechselvolle Karriere zurückblicken. Stationen finden Sie in unserer Bildergalerie. Foto: imago/Horst Galuschka/imago stock&people

Mit schillernden Rollenfiguren machte Mathieu Carrière international Filmkarriere und ließ dabei auch das RTL-Dschungelcamp nicht aus. Für Schlagzeilen sorgt auch sein Einsatz für Kinderrechte. Am 2. August feiert er seinen siebzigsten Geburtstag.

Hamburg - Er wirkte weltweit in 250 Kinofilmen mit, war in mehr als 4000 Stunden Fernsehproduktion zu sehen, stand in Salzburg und Bad Hersfeld auf der Bühne. Dennoch sagt Mathieu Carrière von sich: „Ich bin kein Schauspieler.“ Vielmehr sehe er sich als Spieler, als Dilettant im positiven Sinne, der sich gern in diversen Bereichen des Lebens engagiert. Zu Ruhm gekommen ist er dabei schon zu Schulzeiten am Lübecker Katharineum - als bildhübscher Hauptdarsteller in der Thomas-Mann-Verfilmung „Tonio Kröger“ (1964) sowie in Volker Schlöndorffs Debüt „Der junge Törless“ (1965). Durch Zufall war er entdeckt worden. Am Sonntag (2. August) wird der nach wie vor jugendlich wirkende Scahuspieler und Autor 70 Jahre alt. 

„Den Tag möchte ich nur mit den Frauen feiern, die in meinem Leben wichtig sind - wahrscheinlich in Paris“, erklärt der Vater zweier Töchter im Interview der Deutschen Presse-Agentur in seiner mit Büchern, Familien-Ölporträts, zwei haitianische Geister-Skulpturen und viel Bohème-Flair ausgestatteten Altbauwohnung in einem Hamburger Szeneviertel. Dort lebt er in WG mit drei jungen Leuten, ganz in der Nähe ist auch seine Tochter Elena (24, „Germany’s Next Topmodel“, „Tal der Skorpione“) zuhause. Carrière verfügt in Paris über einen weiteren Wohnsitz - bei seiner Lebensgefährtin, einer Journalistin. 

Auftritt im Dschungelcamp

Ein Ruf von Eigenwilligkeit und Streitbarkeit haftet dem Künstler, der 2011 einen Auftritt im TV-„Dschungelcamp“ nicht scheute, längst an. Doch daheim serviert er erst einmal afrikanischen Moringa-Tee („Hilft gegen alles“) auf dem selbstgebauten weißen Couchtisch. Und sucht nach den Zigaretten, die er vor sich selbst versteckt hat, bevor er auf sein Leben zurückblickt. Beide Eltern waren Psychotherapeuten, geboren wurde Mathieu in der Einrichtung Ilten bei Hannover. „Wir haben immer in den Krankenhäusern gelebt, in denen mein Vater arbeitete“, erinnert sich Carrière, „wie es auch mein geschätzter Kollege Joachim Meyerhoff erfahren und in Romanen beschrieben hat.“ 

Viel gespielt worden sei im bürgerlich-liberalen Elternhaus, es seien jedoch auch seelisch anstrengende Familienverhältnisse gewesen. Dass am Ende nicht nur der älteste Sohn, sondern auch der jüngere Till (1952-1979) und seine Schwester Mareike Carrière (1954-2014, „Großstadtrevier“) Schauspieler wurden, scheine ihm trotzdem eher Zufall als innere Notwendigkeit zu sein. Später, zu Beginn der 1970er Jahre, prägte ihn der Philosoph Gilles Deleuze (1925-1995), bei dem er in der französischen Hauptstadt studierte: „Bei ihm habe ich denken gelernt, lieben und essen. Der Impuls war, kreativ zu werden – wir hatten das Gefühl, die Welt neu zu erfinden.“ 

Deleuze habe ihm das Selbstvertrauen gegeben, eigene Konzepte zu entwickeln, sagt Carrière. Nebenher entwickelte sich – in seinen Worten wiederum aus Glückszufällen – eine internationale Filmkarriere. Die ließ ihn in meist zwielichtigen Rollen mit Regiegrößen wie Andrej Wajda („Die Pforten des Paradieses“, 1967), Orson Welles („Malpertius“, 1971) und Roger Vadim („Don Juan“, 1973) zusammenarbeiten. Sowie mit weiblichen Superstars wie Brigitte Bardot („Don Juan“, 1973), Romy Schneider („Die Spaziergängerin von Sanssouci“, 1982) und Isabelle Huppert („Malina“, 1991). 

Kämpferischer Buddhist

Heute sagt Carrière von sich, er sei ruhiger geworden als etwa noch zu Beginn des Jahrtausends. Damals machte er sich öffentlich und sehr polarisierend für eine Reform des Kindschaftsrechts stark – und ließ sich dafür an ein Kreuz fesseln. „Ich bin kämpferischer Buddhist“, erklärt der Künstler. Er hasse Religionen, interessiere sich aber für Ethik. Und sei mittlerweile nicht mehr gegen, sondern hauptsächlich für Sachen. Dabei freue er sich, dass die junge Generation wie die „Fridays for Future“- und „Black Lives Matter“-Anhänger sich wieder so kämpferisch zeige wie früher seine 1968er. 

Und wie geht es ihm in Corona-Zeiten? „Ich bin besser drauf als je zuvor in meinem Leben“, antwortet Carrière. „Ich übersetze Stücke, bereite Theaterinszenierungen vor, produziere Filme, finanziere Projekte, spiele online Skat und Schach, gucke nach meinen Blumen auf dem Balkon.“ Im September will er, sofern es trotz Corona-Krise klappt, neben Marion Kracht und Marion Martienzen in den Hamburger Kammerspielen im Öko-Thriller „Die Kinder“ Premiere feiern.