Manche Kinder und Eltern berichten von Schwindel und Kopfweh – aber das sind für Ärzte keine überprüfbaren Gründe. Foto: dpa/Felix Kästle

Seit die Maskenpflicht im Unterricht ab Klasse fünf gilt, versuchen immer mehr Eltern eine Befreiung für ihr Kind zu erwirken. Doch Kinderärzte stellen in nur sehr wenigen Fällen eine aus und raten zu „Gelassenheit“. Das Kultusministerium hat die Maskenpflicht nun teilweise gelockert.

Stuttgart - Seit die Maskenpflicht im Unterricht ab Klasse fünf gilt, sollen Kinder- und Jugendärzte im Land zunehmend Maskenatteste ausstellen. „Allein am Montag hatte ich fünf Eltern mit diesem Wunsch in meiner Praxis oder am Telefon“, berichtet Till Reckert, Sprecher des Landesverbandes der Kinder- und Jugendärzte. Ähnliches berichteten viele Praxen im Land. Für die Ärztinnen und Ärzte bedeute das noch einmal eine erhebliche Mehrarbeit, dabei wären einige durch die erhöhte Nachfrage nach Grippeschutzimpfungen und die normale Erkältungswelle ohnehin schon an ihrer Belastungsgrenze.

Entsprechen können die Mediziner dem Wunsch nach einem Attest in den allerwenigsten Fällen. Als Gründe für eine notwendige Befreiung von der Maskenpflicht würden die Eltern und Kinder überwiegend von Schwindel, Übelkeit, Kopfweh oder Atemnot berichten. „Das sind diffuse Symptome, die man nicht überprüfen kann, auch nicht, ob sie in einem Zusammenhang mit der Maske stehen“, sagt Reckert, der in Reutlingen praktiziert. Weshalb er und seine Kolleginnen und Kollegen in solchen Fällen keine Atteste ausstellten.

Kaum medizinische Gründe für ein Maskenattest

Es gebe nur sehr wenige Gründe, die eine Befreiung rechtfertigten. Unter anderem, wenn ein Kind mit geistiger Behinderung die Maske nicht toleriere und sie nur mit Zwang aufbehalten würde. „Es gibt quasi keine Erkrankung bei der das Tragen einer leichten Maske aus medizinischen Gründen nicht möglich oder gefährlich ist“, betont Reckert und gibt damit auch die Haltung seines Berufsverbandes wieder.

Das Kultusministerium formuliert es in seinen Ausführungen folgendermaßen: Die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung besteht nicht für Personen, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen oder sonstigen zwingenden Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist“. Gesundheitliche Gründe muss ein Arzt bescheinigen. Psychologische Gründe kann auch ein approbierter Psychotherapeut attestieren.

Ministerium lockert Pflicht für Pausen

Außerdem listet das Ministerium weitere Gründe auf, die das Tragen einer Maske verhindern können, unter anderem, wenn eine Behinderung verhindert, dass ein Kind die Maske auf- oder absetzen kann oder wenn die Maske bei gehörlosen oder geschädigten Menschen die Kommunikation beeinträchtigt.

Für Pausen hat das Kultusministerium die Maskenpflicht nun allerdings gelockert: „Uns haben in den vergangenen Tagen zahlreiche Rückmeldungen aus den Schulen und seitens der Eltern erreicht, dass diese dauerhafte Maskenpflicht eine besondere Belastung für die Schülerinnen und Schüler aber auch für die Lehrkräfte darstellt“, so die Begründung des Ministeriums. Deshalb können die Masken nun während der Pause im Schulhof, also außerhalb des Schulgebäudes im Freien, abgenommen werden - sofern der Abstand zu anderen Personen mindestens 1,5 Meter beträgt. Außerdem stellte Kultusministerin Susanne Eisenmann noch einmal klar, dass die „Maskenpflicht selbstverständlich nicht beim Essen und Trinken gilt“.

Ärzte raten zu „Gelassenheit“

Die Ärzte im Land empfehlen den Eltern, „gelassen mit der Maskenpflicht“ umzugehen und die Kinder nicht zu verunsichern, sondern positiv durch diese Zeit zu begleiten. „Wenn Eltern die Maskenpflicht in Frage stellen, halte ich das für gefährlich, weil es die Kinder verunsichert und in Loyalitätskonflikte bringt“, sagt Till Reckert. Geschilderte Symptome wie Schwindel und Kopfweh könnten auch psychosomatische Folgen der bei Kindern geschürten Ängsten sein. Im Vergleich zu Schulschließungen und Fernunterricht seien Masken das kleinere Übel, gibt Reckert zu bedenken.

Nicht wenige Eltern sehen das anders. So weist die Elterninitiative Familien in der Krise (FIDK) darauf hin, dass viele Kinder nun fast durchgängig von sieben bis 17 Uhr in öffentlichen Verkehrsmitteln und Schulen Maske tragen müssten. Das sei schon deshalb nicht verhältnismäßig, weil in Schulen erwiesenermaßen auch vor der Maskenpflicht im Unterricht kaum größere Ausbrüche stattgefunden hätten. Außerdem verweisen die Elternvertreter darauf, dass Masken das Erlernen von Fremdsprachen erschwere sowie das soziale Miteinander einschränken. Schule werde von den Schülern zunehmend als „Gefahrenzone statt als positiver Lernort“ wahrgenommen.