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Kolbenhersteller Mahle steigt bei Behr ein - Behr-Belegschaft sieht Übernahme skeptisch.

Stuttgart - Die Beziehung zwischen Autokonzernen und Zulieferern wird immer schwieriger. Jetzt versuchen die Teilehersteller, sich zu helfen, indem sie zusammenrücken. Auch in Stuttgart: Mahle steigt bei Behr ein. "Solche Übernahmen könnten ein Zukunftsmodell sein", sagen Experten.

Wenn es brenzlig wird, rückt man zusammen. Da machen die Automobilzulieferer keine Ausnahme. Jetzt greift Mahle dem klammen Kühlerspezialisten Behr unter die Arme. Der Kolbenspezialist steigt schrittweise bei dem angeschlagenen Unternehmen ein. Mahle wolle sich durch eine einseitige Kapitalerhöhung beteiligen, heißt es vonseiten der Unternehmen. Im laufenden Jahr zunächst mit 19,9 Prozent, Anfang kommenden Jahres soll die Beteiligung auf 36,85 Prozent erhöht werden. Ab 2013 kann Mahle dann weitere Gesellschaftsanteile und damit die Mehrheit an Behr übernehmen. Die Kartellbehörden müssen noch zustimmen.

"Wenn durch die Zusammenlegung Synergien entstehen und die Unternehmen durch die Fusion eine sinnvolle Erweiterung ihres Produktportfolios erreichen können, dann sehe ich darin ein Modell für die Zukunft", sagt Ingo Olschewski vom Institut für Kraftfahrwesen Aachen. Zwar sei die Talsohle für die Branche durchschritten - "die Zulieferbetriebe haben aber kein frisches Kapital". Die Banken sind durch die Krise vorsichtig geworden. Sie verlangen mehr Zinsen für Kredite - wenn sie überhaupt welche vergeben.

Dabei bräuchten die Zulieferer das Geld gerade jetzt dringend für Forschung und Entwicklung. Die Branche stehe vor enormen Herausforderungen, sagt Olschewski. Die Zulieferer müssen neue Geschäftsfelder erschließen. Sie haben sich teilweise jahrzehntelang auf Komponenten für Verbrennungsmotoren spezialisiert. Diese könnten überflüssig werden, sollten in 20 Jahren tatsächlich die Elektroautos einen sichtbaren Marktanteil erlangen.

Behr ist Weltmarktführer für Motorkühlsysteme. Mahle produziert Kolben und Zylinder, stellt Luftfilter und Ölpumpen her, die bis nach Amerika und Japan verkauft werden. "Es kann sein, dass sich Mahle mit Behr eine zukunftsträchtige Komponente ins Haus holen will", sagt Olschewski. "Kühlungen werden für das Thermomanagement im Zuge von Elektromobilität nach wie vor gebraucht." Die Produktprogramme beider Unternehmen ergänzten sich hervorragend, sagt Mahle-Chef Heinz Junker. "Mittelfristig sehen wir für Mahle und Behr ein gemeinsames Umsatzpotenzial von zehn Milliarden Euro." Derzeit setzen beide Unternehmen insgesamt 6,4 Milliarden Euro um.

Behr: Übernahme mit gemischten Gefühlen

Nicht nur Mahle verspricht sich Linderung durch Übernahme. Zusammenrücken liegt im Trend: Der Mittelständler Webasto kaufte die Cabriodachsparte des insolventen Wettbewerbers Edscha. Der Autoheizungshersteller Eberspächer übernahm das Sütrak-Busklimageschäft in Europa, Afrika und dem Nahen Osten. Elring-Klinger, Dichtungshersteller aus Dettingen, kaufte den türkischen Wettbewerber Ompas. Die Unternehmen stärken sich für ihre immer härter werdende Beziehung zu den Autokonzernen. Laut einer Erhebung der Universität Duisburg-Essen fürchten 85 Prozent der Zulieferer, dass sie angesichts der stärkeren Verhandlungsmacht etwa des neuen VW-Porsche-Konzerns zu höheren Preiszugeständnissen gezwungen werden.

Durch das Zusammenrücken steigt die Größe der Anbieter - und somit ihre Verhandlungsmacht. Die Autogiganten drücken immer mehr Entwicklungskosten auf die Zulieferer ab. Außerdem nehmen sie weniger Ware ab, zögern Zahlungsfristen hinaus. Als Konsequenz meldeten sich 2009 etwa 100 Zulieferer insolvent. Große Namen waren darunter - Dachhersteller Edscha, Dämpfungsspezialist Stankiewicz oder Bremsbelaghersteller TMD Friction.

Am Ende der Kette stehen die Mitarbeiter. Bei Behr schmolz sie Belegschaft im vergangenen Jahr um fast ein Zehntel auf etwa 17000 Mitarbeiter. Die Talfahrt hatte schon vor der Krise begonnen. 2008 machte Behr 70 Millionen Euro Verlust vor Steuern. Vergangenes Jahr vergrößerte sich das Minus auf 235 Millionen Euro. Auch bei Mahle verloren einige Mitarbeiter ihren Job. Die Stellenzahl fiel um zehn Prozent auf 43500.

Der stellvertretende Behr-Betriebsratschef Chedly Sahraoui sagt, dass die Mitarbeiter Behrs der Übernahme mit gemischten Gefühlen entgegensehen. Im Moment habe Behr eine Finanzspritze gebraucht, sagt er. "Wir wissen aber nicht, was in drei, vier Jahren passiert, wenn Mahle die Mehrheit besitzt." Dann werde die Unternehmensleitung sicher dazu übergehen, doppelte Stellen zu streichen.